MOOCs: Überzogene Kritik und überzogene Erwartungen

In diesem Beitrag setze ich mich mit zwei als Video aufgezeichneten Referaten zu MOOCs (Massive Open Online Courses) auseinander. Ich vertrete die Ansicht, dass einerseits die Kritik von Rolf Schulmeister überzogen ist und andererseits Joachim Wedekind und Claudia Bremer überzogene Erwartungen an MOOCs stellen. Ich plädiere für eine Kombination der MOOC-Idee mit der Bewegung für Freie Bildungsressourcen, weil damit die jeweiligen Nachteile minimiert werden können.

Heute habe ich mir zwei Vorträge zu Massive Open Online Courses (MOOCs, sprich Mu:ks) von der Campus Innovation Tagung 2012 angeschaut.

Beiden Vorträge sind ganz gut geeignet sich einen Überblick über dieses neue Phänomen zu verschaffen 1. Allerdings bin ich der Meinung, dass beide Vorträge eine falsche Erwartungshaltung an diese Kurse anlegen bzw. sie mit falschen Maßstäben messen

Überzogene Kritik

Im Beitrag von Rolf Schulmeister scheint mir die Stoßrichtung seiner Kritik falsch ausgerichtet und daher überzogen zu sein. Er kritisiert 2 u.a.,  dass

  • die Didaktik nicht zeitgemäß und technikgetrieben ist, die Foren nicht moderiert wurden, die inhaltliche Qualität nicht stimmte
  • die gewählte zeitliche Taktung und die starren Fristen die "Studierbarkeit" (aktive Teilnahme bis zum Ende des Kurses) erschwert haben
  • die Prüfungsformen zu simpel und dazu noch das Prüfungsniveau in einem Kurs abgesenkt wurde
  • der Diversität der Studierenden (ihren Ansprüchen und Wünschen) sowie ihrer interkulturellen Traditionen nicht Rechnung getragen wurde ("Kolonialismus")
  • extrem hohe Drop-Out Raten zu beobachten sind

Er macht sich zu Recht lustig über den Hype mit MOOCs, den Werbesprüchen und ist auch zu Recht kritisch zu den dahinter liegenden Geschäftsmodellen, die sich langsam heraus kristallisieren und sowohl von datenschutzrechtlicher Seite (Learning Analytics)  von curricularer (Zertifizierung, Credits) und z.T. bereits auch von finanzieller Seite bedenklich sind.

Trotzdem: Die Kritik richtet sich überwiegend auf Erscheinungen, die als Maßstab  unsere Vorstellung von "Higher Education" verwenden. Würde aber statt dessen die viel bescheidenere Rolle einer allgemeinen "Volksbildung" oder Volkshochschule als Hintergrundfolie herangezogen, dann müssten diese Initiativen weit besser bewertet werden.

Auch der Einwand der hohen Drop-Out Quote oder der Hinweis, dass die Mehrheit nur zuschaut, "Lurker" sind, ist aus meiner Sicht kein Argument gegen die mögliche positive volksbildnerische Funktion von MOOCs. Zuschauen ist besser als gar nichts tun. Das ist ja gerade im Bereich von Online-Lernen nichts Neues: Wie Claudia Bremer in ihrem Vortrag richtig erwähnt, hat bereits Jakob Nielsen 2006 die 90-9-1 Regel von Großveranstaltungen aufgestellt:

  • 90 % der NutzerInnen sind nur Zaungäste, d.h. sie sitzen quasi am Zaun und schauen interessiert zu
  • 9 % der NutzerInnen beteiligen sich sporadisch, d.h. von Zeit zu Zeit, sind aber  nicht kontinuierlich dabei
  • nur 1 % der Nutzer arbeiten proaktiv bzw. interaktiv mit, von ihnen stammen die meisten Beiträge.

Überzogene Erwartungen

Einen ähnlichen Fehler – nur von der anderen Seite der Argumentation – machen Joachim Wedekind und Claudia Bremer: Ihnen geht es um Diskurs der TeilnehmerInnen, um den Aufbau einer Community. Sie haben daher die Integration mit bzw. Verwendung von Social Media (in erster  Linie Twitter und teilweise auch Blogs) untersucht. Joachim Wedekind möchte daher auch gerne den Zusammenhang mit Konnektionismus herausheben und würde gerne die MOOCs in COOL umbenennen (Cooperative Open Online Learning).

Diese Erwartung halte ich jedoch in solchen Kursen, die lt. Definition ("massive) eine sehr große Menge von TeilnehmerInnen haben für eine überzogene Erwartung.  Claudia Bremer erwähnt sogar selbst die Zahl von 150, die sie von Stephen Downes erfahren hat als (ungefähre) Grenze für das "Massenhafte" gelten kann 3. Dahinter steckt – was sie nicht erwähnt – die sogenannte Dunbar-Zahl, ein Konzept, das vom Anthropologen Robin Dunbar entwickelt wurde: Er geht davon aus, dass durch die Evolution unsere Großhirnrinde so strukturiert ist, dass wir im Durchschnitt nicht mehr als 150 soziale Beziehungen unterhalten und langfristig pflegen können. Die Zahl 150 ist also genau jene Grenze, wo es extrem schwierig wird, einen inhaltlich qualitätsvollen sozialen Austausch zu pflegen – aber gerade das wird mit den MOOCs in der Wedekind/Bremer-Variante versucht!

MOOCs mit OER-Initiativen kombinieren!

Ein MOOC erzeugt eine Menge von Content, der danach frei verfügbar ist. 4

Wie Rolf Schulmeister nachweist, ist das leider gerade nicht der Fall. So hat z.B. Coursera seine Videos aus dem Kurs wieder gesperrt! Das wäre aber eine Richtung, in die diese massenhaften volksbildnerische Aktivitäten gehen sollten: Ich glaube nämlich, dass es ebenso wertvoll ist – und für die Erhöhung der Effizienz der volksbildnerischen Aktivitäten – sogar ganz entscheidend wäre, wenn die während eines Kurses angesammelten Materialien (Videos, Texte, Forumsbeiträge) im vollen Umfang weiter zur Verfügung stehen.

Nicht nur das: Es sollte nicht nur möglich sein diese Inhalte weiter individuell zu nutzen, sondern es sollte gerade das wesentliche Ziel sein, die angesammelten Ressourcen weiter rund um Lernprozesse auszubauen. Also kein Schließen der Foren oder gar der Webseiten, sondern ganz im Gegenteil: "Self Paced Learning" – wie es sich Rolf Schulmeister vorstellt – kann eigentlich nicht durch eine "lockere", d.h. freizügigeren Taktung erreicht werden, sondern ist eigentlich nur dann möglich, wenn die von außen vorgegebene Taktung ganz wegfällt. Nach meinem Konzept wären die MOOCs  dann bloß so etwas wie volksbildnerische Auftaktveranstaltungen, die Material produzieren, das langfristig rund um individuelle Bildungsprozesse weiter ausgebaut wird.

Damit wäre gleichzeitig auch wesentliche Schwierigkeiten  von freien Bildungsmaterialien (OER) umgangen:

  • Frei zugängliche Materialien sind häufig in einer unübersichtlichen Fülle vorhanden, sodass ihre Auswahl schwer fällt bzw. mit viel Aufwand verbunden ist
  • Frei zugängliche Materialien werden oft isoliert, d.h. ohne entsprechenden Integration einen curricularen Kurskontext angeboten, womit ihre effektive Nutzung erschwert wird.

Dass beim Lernen am "totem Material", d.h. beim Lernen ohne DozentIn und Peers sowohl Interaktivität und Kooperation in Lernprozessen zu kurz kommt, halte ich für kein  starkes Gegenargument: Gerade in solchen massenhaften Kursen ist naturgemäß sowieso die Interaktivität und Möglichkeit von unmittelbaren Feedback durch die große Zahl von TeilnehmerInnen extrem eingeschränkt: Wir dürfen MOOCs nicht auf der Folie von unseren Vorstellungen und Erwartungen von Settings bei Kleingruppen bewerten. Das betrifft sowohl den didaktisch Anspruch, die Intensität und Qualität der Lernprozesse als natürlich vor allem  auch die Beurteilung des Lernerfolgs.

Die didaktische Gestaltung des Lernprozesses von einer Kleingruppe ist vergleichbar mit einem Pflänzchen, das wir sorgsam und regelmäßig gießen und pflegen; MOOCs hingegen sind vergleichbar mit einem riesigen Blumenbeet, über das wir sporadisch ein Schaffel Wasser unkontrolliert ausschütten. Beides macht in der jeweiligen Situation Sinn und bringt Wasser zu den Blumen. Der Frage darf daher nicht lauten "Gießkanne oder großer Waschtrog", sondern wie kommt Wasser möglichst effizient zu all den vielen Blumen?

Fußnoten

  1. Die darin erwähnten Referenzen habe ich in einer Linkliste zu MOOCs zusammengeschrieben.
  2. Eine Zusammenfassung findet sich im Foliensatz rund um Minute 45
  3. etwa bei 14:20 min
  4. Claudia Bremer, etwa bei 16:15

Von Peter Baumgartner

Seit mehr als 30 Jahren treiben mich die Themen eLearning/Blended Learning und (Hochschul)-Didaktik um. Als Universitätsprofessor hat sich dieses Interesse in 13 Bücher, knapp über 200 Artikel und 20 betreuten Dissertationen niedergeschlagen. Jetzt in der Pension beschäftige ich mich zunehmend auch mit Open Science und Data Science Education.

13 Antworten auf „MOOCs: Überzogene Kritik und überzogene Erwartungen“

Hallo Herr Baumgartner,
danke für den Beitrag, ich finde es spannend, dass es aktuell in Deutschland drei MOOC-Konzepte gibt, die aus meiner Sicht einen Teil der angesprochenen Punkte thematisieren:

1. Der #mmc13 (howtomooc.org), der Meta-MOOC, der aus meiner Sicht in hevorragender Art und Weise die didaktischen, technischen und finanziellen Herausforderungen von MOOCs diskutiert.

2. Der COER13 (coer13.de), ein Open Course auf dem Hause IWM / e-teaching.org, mit dem Schwerpunkt auf OER, und dem Ziel, im Kurs ebensolche zu produzieren.

3. Der ich.kurs 13 (ichkurs.de) der versucht das Konzept auch auf Lernsettings außerhalb der Hochschule zu übertragen, und außerdem an einem Finanzierungskonzept arbeite.

Herzliche Grüße
Johannes Moskaliuk

„Gerade in solchen massenhaften Kursen ist naturgemäß sowieso die Interaktivität und Möglichkeit von unmittelbaren Feedback durch die große Zahl von TeilnehmerInnen extrem eingeschränkt“ …

Langsam. Naturgemäß ist in sozialen Systemen gar nix. Sie sind historisch entstanden bzw. hier mit den MOOCs entsteht gerade etwas Neues, das offenbar und nicht verwunderlich zunächst mal mit „alten“ bestehenden Dingen verknüpft ist. Abhängig von den bisherigen Vorstellungen und Praxen. Aber determiniert ist da gar nichts.

Und mal ganz entspannt: Warum sollte bei einer großen Zahl von Teilnehmenden Feedback eingeschränkt sein? Wieso eigentlich? Könnte man nicht auch denken, dass gerade da, wo viele sind, viel Feedback möglich ist? – Es kommt offenbar darauf an, wie es organisiert wird, und wer Feedback unter welchen Bedingungen gibt, und was das Feedback für wen bringen soll. Offenbar tut es das nicht von selbst und nicht auf die Art und Weise, wie es nützlich ist. Jedenfalls nicht in den untersuchten MOOCs.
Es gibt aber mit Sicherheit Möglichkeiten der Kontextsteuerung (manche davon kennen wir schon, manche müssen noch erfunden werden) – Lehrer nennen das für den Unterricht gerne Didaktik -, solche Feedbacks zu organisieren. Es muss ja nicht der Dozent sein, warum auch? Also: wie organisiert man für alle TN, die es wünschen, ein brauchbares Peer-Coaching? Wie stellt man sicher, dass echte Lerngruppen entstehen, die sich gegenseitig mit dem Lerngegenstand und methodisch unterstützen? Es braucht wohl auch mehr Zeit. Effektiv heißt beim Lernen nicht: Soviel Stoff wie möglich an möglichst viele in möglichst kurzer Zeit. Weil Lernen eben nicht mehr Stofffressen ist.

Ebensowenig ist das „Gesetz 90-9-1“ ein Naturgesetz.
Hier wird aber gehandelt, als stünde dieses „Gesetz“, was ja nur eine Beobachtung unter bestimmten kulturhistorischen Bedingungen ist, felsenfest. Aber es steht nicht. Denn die Bedingungen kann man klären und Entscheidendes ändern. Dazu braucht es wohl noch viel Experimente und Beforschung.

Aber ich finde es auf Dauer überhaupt nicht akzeptabel, dass 90 % nur Zuschauer sind. Auch nicht, wenn es sich „bloß“ um das „V0lk“ und nicht um die „Elite“ handelt. Und ich finde es gar nicht unmöglich, auch große MOOCs so zu organisieren und zu moderieren, dass „Kleingruppen-Lernen“ dabei in Gang gesetzt und begleitet wird. Früher gab es für große Vorlesungen (ab 150 TN) in vielen Fächern Tutoren, die mit den Studis „den Stoff“ der Vorlesung mit „Mund-zu-Mund-Beatmung“ nachgearbeitet haben. Diese bräuchte man wohl jetzt genauso zur Moderation von Klein-Gruppen und zum Einzelcoaching.
Es ist eine Frage des Einsatzes von Ressourcen. Wenn MOOCs aber nur neoliberal als Sparmodell gehandelt werden, was sicher ein tolles Geschäftsmodell ist (die Vorlesung, die früher 300 Leute im Saal hörten, können jetzt übers Netz auch 300.000 hören), dann geht das nicht in die Richtung, in die es gehen könnte, um tatsächlich allen bessere Bildung zu ermöglichen. Denn vom Hören allein lernt man heute nicht mehr gut genug.

Danke für Ihren umfassenden Kommentar. Sie sprechen viele Punkte an, denen ich in dieser kurz gehaltenen Entgegnung sicherlich nicht gerecht werden kann. Ich werde daher Ihre Argumentation als (willkommenen) Anlass nehmen, um mich später noch ausführlicher dazu zu positionieren.

Sie schreiben: „Warum sollte bei einer großen Zahl von Teilnehmenden Feedback eingeschränkt sein?“ Meine einfache und kurze Antwort hier im Kommentarbereich: Aus finanziellen, organisatorischen und zeitlichen Gründen. Sie haben allerdings Recht, dass ich mit Worten wie „naturgemäß“ vorsichtiger sein sollte.

Ich kann zwar verstehen, dass Sie „es auf Dauer überhaupt nicht akzeptabel [finden], dass 90 % nur Zuschauer sind.“ Und natürlich sollten wir hier etwas „…Entscheidendes ändern“. Aber was? Und vor allem: Werden wir erfolgreich sein, lässt sich unser gemeinsamer Wunsch auch umsetzen bzw. realisieren? Oder gibt es bestimmte „Bedingungen“, die das erschweren?

Erkenntnistheoretisch betrachtet, glaube ich dass Ihre Argumentationslinie subjektivistisch gefärbt ist, d.h. sogenanntes „Wunschdenken“ darstellt und letztlich auf die Position des methodologischen Individualismus zurückgeführt werden kann. Ich werde daher versuchen – wie oben bereits angekündigt – in den nächsten Tagen (vielleicht schon über das Wochenende) meine sozialkonstruktivistische Position im Gegensatz dazu in einem eigenen Beitrag genauer darzulegen. Aus vielen anderen Rückmeldungen, die ich bekommen habe, glaube ich nämlich, dass ein beträchtlicher Teil der sich häufig so sozial-kritisch gebenden Internetgemeinde ebenfalls in dieser erkenntnistheoretische Falle gefangen ist.

Na, Wünsche zu äußern und Wunschdenken sind doch zwei paar Stiefel. Ich bin sicher missverstanden worden, wenn ich insgesamt normativ verstanden wurde (wahrscheinlich habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt).
Mein Einwand „“Warum sollte bei einer großen Zahl von Teilnehmenden Feedback eingeschränkt sein?” ist gerade nicht normativ gemeint, sondern analytisch. Hier wurden Voraussetzungen gemacht, die nicht offengelegt waren, aber jetz ja sind: „aus finanziellen Gründen“. Eben. Es sind Entscheidungen auf der politischen und ökonomischen Ebene, die da als verborgene Voraussetzungen standen und zu natürlichen Voraussetzungen erklärt waren.
Das – und nur das – wollte ich ja festhalten. 😉
Aber ich bin sehr gespannt auf das nächste Post, wo mein „subjektivismus“ nachgewiesen wird. (subjektiv: stimme ich sofort zu – subjektivistisch: weise ich zurück)

Ich freue mich sehr über Ihre Antwort: Nicht nur über die Inhalte, denen ich zustimme, sondern auch über die Meta-Ebene auf der Sie mir geantwortet haben! Und dass Sie mir ordentlich kontra geben 😉 – das spornt mich an: Ich lasse jetzt alle andere Sachen liegen und mache mich daran, meine Position darzulegen. Mal sehen ob mir das gelingt.

Dabei geht es mir aber nicht darum Ihnen persönlich irgendetwas nachzuweisen, sondern ganz generell auf eine (mögliche) Verwechslung verschiedener Ebenen des Diskurses hinzuweisen mit denen ich – anlässlich der Veröffentlichung meines MOOC-Beitrages – konfrontiert worden bin. Das waren aber gerade keine direkten Kommentareinträge wie der Ihre, sondern Mails, Blogbeiträge und Twittermeldungen.

Danke für die bereichernden Worte.
Es ist schon interessant, MOOCs scheinen unsere Visionen von Bildung zu beflügeln. Interessant auch, dass verschiedentlich die Begriffe Volksbildung und Volkshochschulen genannt werden. Können MOOCs traditionelle Grenzen zwischen Hochschulbildung und Erwachsenenbildung auflösen? Als Erwachsenenbildner wünsche ich mir das. Lebenslanges Lernen ist mit MOOCs möglich, ohne den Stress früherer Bildungssituationen wieder erleben zu müssen. Wie ich auch an mir feststelle, eine neue Chance zu lernen und neugierig zu bleiben. Hoffentlich entspannt setze ich meine eigenen Lernziele. Eine neue Freiheit!
Durch den mmc13 habe ich mich inspirieren lassen, diese Frage auch praktisch in die Volkshochschulen zu tragen und einen VHS-MOOC zu organisieren. Einerseits läßt sich mit diesem Instrument eine breite Diskussion um die Zukunft des Lernen innerhalb der Weiterbildung führen, andererseits ist das Instrument MOOC selbst schon ein Lernmodell.
Und wie die Wissenschaft all diese Versuche einordnet werden wir dann sehen. Wenn MOOCs erst einmal die Hochschulen verlassen haben, wird evtl. auch die soziale Dimension dieser Inhaltsnetzwerke sichtbar.
Mehr dazu auch auf meiner Website ( http://allesauszucker.wordpress.com ), die ich durch den mmc13 realisiert habe. Ich habe im MOOC auch gelernt, dass alle nur mit Wasser kochen und habe mich getraut. Ich bin gespannt!

uiuiui, jetzt geht es (drüben in deinem zweiten Beitrag zur MOOC-Diskussion) aber metatheoretisch richtig ab. Um auf dieser Metaebene mitreden zu können, müsste ich ja erst mal meinen Johann Most wieder hervorkramen (sozusagen das „Kapital für Dummies“) bzw. die Systemtheorie-Bücher. Ich erlaube mir deshalb lieber hier in diesem Thread mal Anmerkungen auf der Basis subjektiver Beobachtungen in inzwischen 6 verschiedenen MOOCs einzubringen.

Erstmal ist Motivation, Organisation, Teilnahme und am Ende auch Geschäftsmodell unterschiedlich, je nachdem welchen MOOC-Typ wir betrachten. Denn selbst xMOOCs sind für mich nicht gleich Kinder neoliberaler Interpretation hochschulischer Aufgaben und Finanzierung. Vielleicht ist Thrun als Mitbegründer von Coursera naiv hinsichtlich der Umsetzungsmöglichkeiten, aber seine Beweggründe sind alles andere als neoliberal. Ich halte ihm und Mitstreitern auch zugute, dass sie durchaus eine Refinanzierung ihrer Aktivitäten im Auge haben dürfen. Es ist ja schon die Frage, ob es Aufgabe der Hochschulen ist, kostenfrei „volksbildnerisch“ tätig zu werden, jedenfalls im großen Stil (sonst wären ja die Volkshochschulen um viele Aufgaben ärmer). Wenn dann schon eher im Sinne eines „Studium Generale“ online.

Ich wäre also vorsichtig, xMOOCs gleich abzuqualifizieren. Ich halte den Ansatz von Rolf schon für ausbaufähig und notwendig, die Kurse unter hochschul- und fachdidaktischen Aspekten zu analysieren. Dann findet man durchaus Perlen im Angebot. Ich bin gerade in Introduction to Complexity (http://www.complexityexplorer.org), der sich als eine solche zu entpuppen scheint.

Bei cMOOCs ist dass sowieso anders zu sehen, da die mir bisher bekannten eben keine online-Abbilder bekannter Hochschulangebote darstellen. Es wird dann sogar erfreulicherweise die 90-9-1 Regel außer Kraft gesetzt. Da bewegen wir uns eher in Richtung der „Participation Choice“ (siehe hier: http://www.bbc.co.uk/blogs/bbcinternet/2012/05/bbc_online_briefing_spring_201_1.html) mit ca. 20% passiv, 60% mäßige und 20% intensiver Beteiligung.

Und der MMC13 ist ein gutes Beispiel für gelebten Wandel von Medienkonsumenten zu -Produzenten (ich zitiere dafür gerne Brechts Rede zur Funktion des Rundfunks, 1932), bei dem nicht nur gut gemeinter Enthusiasmus am Werke war, sonder tatsächlich eine (temporäre) Community gemeinsam lernte und gemeinsam Wissen produzierte (ok, das Wiki dazu könnte schneller wachsen, aber immerhin; http://howtomooc.org/wiki/index.php/Spezial:Alle_Seiten).

Da du mich zitierst, nochmal eine Klarstellung: Ich betonte, dass für mich der Konnektionismus keine Lerntheorie ist, eher ein Modell der partizipativen Organisation des Lernens. Ds gilt natürlich erstmal nur für cMOOCs! Ich habe auch betont, dass es da jede Menge „Stolpersteine“ gibt (im Sinne der educational patterns 😉 ) und dass es der didaktisch/methodischen Phantasie bedarf, diese aus dem Weg zu räumen. Das ist bisher sicher nicht immer gelungen, aber spannend bleibt die Entwicklung allemal. Ich bin da weniger Bedenkenträger denn optimistischer Experimentator.

Lieber Joachim Wedekind,

im Sinne partizipativen Lernens … unter ‚Johann Most‘ finde ich bei Wikipedia einen deutschen Anarchisten und vom Begriff ‚Systemtheorie‘ keine Spur – gerne würde ich aber die Anspielung auf die Metaebenen-Diskussion nachvollziehen können 🙂

Peter Baumgartners Bezugnahme auf ‚Volksbildung‘ kann ich aus der Perspektive eines weiterhin anhaltenden Sturms von global-diffusen Entwicklungen teilen. Die Grundansprüche an das ‚Volk‘, verstanden als Voraussetzungen zur aktiven Diskursteilnahme nehmen hinsichtlich des zu lernenden Pensums ständig zu – public understanding of science/research wird zu einem wichtigen Faktor, nicht so sehr aus Sicht eines ‚digital divide‘ sondern bezogen auf eine gesellschaftliche Separation, welche mit fortschreitender Forschungs-/Wissenschafts-Spezialisierung und Hypertrophie zunehmend wohl auch ‚höhere‘ Bildungsschichten betrifft. Wenn MOOCs in der Lage sind ‚knabenführende‘ (pädagogische) Strukturen in die überfordernde Fülle an zur Verfügung stehendem und wahrzunehmenden Wissen (eigentlich ja nur Daten) zu bringen – dann bleibt zunächst mal zu hoffen, dass die Zahl dieser Angebote angemessen bleibt und das Aufschließen einer breiten Masse nutzbringend fördert. Einen zielgerichteten Produkt-Behandlungs-Effekt (z.B. Employability) für einen Absolventen würde ich diesen Ansätzen allerdings nicht abverlangen.
Womöglich mag der derzeitige Hype nur Ausdruck eines weiterhin und zunehmend unberuhigten Empfindens von nicht mehr (be)handlungsfähger Überforderung angesichts der Fülle von Menschen, Daten und vermeindlicher Vermittlungsnotwendigkeiten sein – sind 300.000 Kursteilnehmer erstrebenswert oder nur pseudo-Legitimation?
Dem Problem der unüberschaubaren Komplexität kommen wir meiner Meinung nach dadurch jedenfalls nur ’spielerisch‘ näher.

Auf Johann Most habe ich verwiesen, weil bei Peters „Metatheoretischen Anmerkungen“ (http://peter.baumgartner.name/2013/03/01/anmerkungen-mooc-diskussion/) gesellschaftswissenschaftliche Aspekte mit Rückgriff auf Marx eingebracht wurden. Um da mitdenken/mitreden zu können wollte ich Mosts Broschüre „Kapital und Arbeit“ hervorholen, die mir in den frühen 70ern gute Dienste erwiesen hatte. Damals gab es nämlich eine Neuauflage bei Suhrkamp (heute online verfügbar: http://www.marxists.org/deutsch/referenz/most/1876/kapital/index.htm). Das kann einem manchmal das Wälzen dicker Bücher ersparen … 😉

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