LMS in WordPress? – Didaktischer Mehrwert

Die Frage, die mich umtreibt lautet: Was kann ein LMS mit seiner Pflicht zur Registrierung selbstbestimmtes Lernen so unterstützen, dass es Vorteile gegenüber dem selbstorganisierten Lernen mit frei zugänglichen Bildungsressourcen (Open Educational Resources) bietet? – Das ist der zweite Teil von drei Artikeln.

LMSIm vorigen Beitrag dieser Trilogie habe ich die Schwierigkeiten beschrieben, die ein LMS für selbstbestimmtes Lernen aufwirft. Die Frage, die mich umtreibt lautet: Was kann ein LMS mit seiner Pflicht zur Registrierung selbstbestimmtes Lernen so unterstützen, dass es Vorteile gegenüber dem selbstorganisierten Lernen mit frei zugänglichen Bildungsressourcen (Open Educational Resources) bietet?

Didaktischer Mehrwert und LMS

Ich möchte die Fragestellung mit (m)einem Beispiel so konkret wie möglich machen: Ich bin gerade dabei ein Skriptum zur Akteur-Netzwerk-Theorie zu entwickeln, das auf meine damalige Lesereise "Gemeinsam Latour lesen (GLL)" aufbaut. Ich werde das Skriptum sowohl als Print- und Screen-PDF aber auch als eBook frei zugänglich machen. [Ich bin gerade dabei das Skriptum auf unserer für alle frei zugänglichen Installation von Booktype fertigzustellen (siehe dazu auch meinen Blogbeitrag).]

Was muss nun ein LMS leisten, um zu diesem Szenario noch (weitere) Vorteile bieten zu können? Warum sollte jemand meine 13 Lektionen lesen und bearbeiten, die ich in Namaste! LMS für WordPress erstellt habe? Noch dazu, wo man/frau sich anmelden muss und damit ein Teil der Souveränität und Anonymität verloren geht?

Meine (theoretische) Antwort besteht darin, dass das LMS dazu genutzt werden muss, um einen didaktischen Mehrwert zu generieren, der in der Print und eBook-Version nicht realisiert ist bzw. nicht realisiert werden kann.

Netzwerk didaktischer Dimensionen

Um den didaktischen Mehrwert eines LMS gegenüber normale Webseiten, PDF und eBook zu vergleichen, habe ich mir eine 2 x 4 Argumente überlegt, die ich mit "Auseinandersetzung mit Inhalten" und "Auseinandersetzung mit Co-Lernenden" bezeichnen möchte:

Auseinandersetzung mit

Inhalten (Co-) Lernenden
Links Austausch / Diskussion
Multimedia Gamification (Wettbewerb)
Aktualität Kooperation (Produktion)
Interaktivität Persönlicher Kontakt mit Autor/in

Wie sich zeigt, ist es nicht ganz einfach einen Kurs in einem LMS so zu gestalten, dass er gegenüber einem eBook im Vorteil ist. Insbesondere wenn das Argument der "Aktualität" – wie bei meinem Beispiel der Einführung zu Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) – keine Rolle spielt. Trotzdem möchte ich eine schlüssige Argumentation versuchen – und zwar eine, die ohne proprietäre und finanzielle Argumente auskommt: [Über proprietäre und finanzielle Argumente ist es einfach einem LMS dem Vorzug zu geben. Das ist aber gerade nicht meine Intention und widerspricht meiner bildungspolitischen Einstellung.]

Meine Lösungsvorschlag besteht darin, dass nicht jedes einzelnes Argument (z.B. Links, Multimedia, Aktualität) isoliert für einen Vergleich herangezogen wird: Links gibt es natürlich sowohl in eBooks, öffentlich zugänglichen Webseiten und PDFs. Zentral in meiner Argumentation ist es, dass Netzwerke und Verknüpfungen didaktischer Dimensionen ganzheitlich betrachtet und miteinander verglichen werden. Es geht darum, Überlegungen zur didaktischen Vielfalt anzustellen, wie ich das in meinem Buch Taxonomie von Unterrichtsmethoden vorgezeigt habe.

Ein Beispiel, wie solch eine Kombinatorik aussehen kann:

  • Links gibt es bei eBooks, Webseiten, PDFs und in LMS
  • Links mit Austausch und Diskussion aber nur mehr auf Webseiten und LMS
  • Links mit Austausch und Diskussion und Elemente des Gamifications (Punkte, Leaderboards, Badges etc.) nur mehr über eine Registrierung (= LMS).

Unter einer holistischen Betrachtung zeigt sich, dass es nicht genügt, an einzelnen Elementen zu "schrauben", sondern, dass es darum geht, eine ganzheitlich positive Lernerfahrung zu erzeugen.

Das ist mit sequentiell organisierter Sprache – wo ein Wort nach dem anderen, ein Satz nach dem anderen gesprochen bzw. geschrieben wird – sehr schwierig. Darüber haben schon viele Philosophen hingewiesen (Ludwig Wittgenstein, Susanne Langer, Nelson Goodman etc.) und andere Präsentationsformen, Notationssysteme etc. vorgeschlagen. Das kann ich hier (noch) nicht leisten, und werde mich daher in der Fortsetzung diese Beitrags weiterhin mit den Beschränkungen von Sprache herumschlagen.

Erster Teil der Trilogie – Wird fortgesetzt! – Dritter Teil der Trilogie

Von Peter Baumgartner

Seit mehr als 30 Jahren treiben mich die Themen eLearning/Blended Learning und (Hochschul)-Didaktik um. Als Universitätsprofessor hat sich dieses Interesse in 13 Bücher, knapp über 200 Artikel und 20 betreuten Dissertationen niedergeschlagen. Jetzt in der Pension beschäftige ich mich zunehmend auch mit Open Science und Data Science Education.

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