Neue Herausforderungen an der DUK
Ich schäme mich fast, wenn ich jetzt - nach geschlagenen 4 Monaten - mal wieder einen Eintrag in meinem Blog vornehme. Es ist nicht so, dass sich in der Zwischenzeit nichts getan hätte. Ganz im Gegenteil...
Eine Überfülle an (zum Teil) recht neuen Aktivitäten nimmt mich von früh morgens bis spät abends voll in Beschlag. Meine neue Professur an der Donau-Uni funktioniert nach einer ganz anderen Logik als bisherige Professuren die ich bisher inne hatte. Natürlich gab es (und gibt es mindestens noch bis Jahresende) bei einem neuen Job, der zudem noch mit einem Umzug in ein anderes Land verbunden ist, Doppel- bis Dreifachbelastungen: Da laufen noch (alte) Verpflichtungen aus Hagen, während schon eine Reihe neuer Anforderungen wahrzunehmen sind, da sind Versicherungen, Banken, Autokennzeichen ab- bzw. umzumelden, etc.
Der eigentliche Grund für mein Nicht-Bloggen aber ist ein Paradoxer: Es ist meine Unfähigkeit mich selbst zu beschränken!
Zum ersten Mal bin ich in einer Institution, wo ich
- soviel Eigenverantwortung habe, dass ich meine Ideen und Überlegungen meist auch gleich umsetzen kann und wo
- die institutionellen Rahmenbedingungen so dynamisch sind, dass sie mich nicht bremsen.
Ein Beispiel für die Dynamik an der DUK
Als es mir gelang mit meinem Dienstantritt zum 1. Oktober 2003 an der FernUniversität meine 4 neuen Stellen bis zum 1. Jänner 2004 (ich kann jetzt wieder österreichisch schreiben, muss also nicht mir ein "Januar" abquälen) zu besetzen, wurde mir von allen Seiten gratuliert. So schnell habe es bisher mit Stellenbesetzungen an der FernUni noch kaum einer geschafft. Tatsächlich wäre es ohne viel guten Willen und kollegiale Unterstützung von vielen Seiten - auch von "oben" - nicht so schnell gegangen; die verwaltungstechnischen Hürden sind eben nicht einfach zu überspringen.
An der Donau-Uni habe ich mit 1. Mai 2006 (einem Feiertag) begonnen und bereits am 9. Mai (!) meine 4 neuen Stellen bereits besetzt (auch wenn zwei MitarbeiterInnen nach ihrer Kündigungsfrist im alten Job erst mit 1. Juli bei mir beginnen konnten. Diese - selbst für mich (fast) zu schnelle Stellenbesetzung 😉 war nur möglich, weil eine Mitarbeiterin der Personalabteilung mich bereits im April in Hagen angerufen hat und mir mitteilte: "Ich fahre morgen für 3 Wochen auf Urlaub, wir müssen heute noch ihre 4 Stellenausschreibungen durchbringen." Gesagt, getan! Nach etlichen Mails und mehreren Telefonaten hatten diese Mitarbeiterin um ca. 20:30 nicht nur alle Texte zusammen, sondern auch bereits alle Unterschriften auf den Formularen (bis hin zum Vizerektorat) organisiert und die Ausschreibung bereits im internen Mitteilungsblatt veröffentlicht. Mir ist angesichts solch einer initiativen, proaktiven Haltung der Atem weg geblieben.
Mehrmals wollte ich schon einige Gedanken zu "anderen" Logik an der Donau-Uni schreiben. So wie ich es auch an der FernUni mehrmals getan hatte, als mir einige Probleme, Unzulänglichkeiten oder vermeintliche Systemfehler aufgefallen sind. Kaum hatte ich mir eine vorsichtige Formulierung überlegt, als mich die Realität in diesem dynamischen Setting bereits überholt hatte: An der Donau-Uni herrscht derzeit nicht nur Aufbrauchstimmung, sondern die Kommunikationswege sind für eine Universität extrem kurz und unbürokratisch.
Die "andere" Logik der DUK
Ein typisches Beispiel für die andere Steuerungslogik an der DUK stellen meine Berufungsverhandlungen dar. Wie üblich habe ich mit dem Rektorat über mein Gehalt, Personal- Raum- und Sachausstattung verhandelt. Ich konnte in fast allen Belangen (ausgenommen der komplexen Pensionsfrage) recht rasch und ohne viel Diskussionen meine Vorstellungen dem Rektorat nahebringen. Das war jedoch nur ein Phyrussieg: Ich muss nämlich die Kosten meines Departments selbst erwirtschaften, d.h. ich muss für die "Erfolge" meiner Berufungsverhandlungen selbst aufkommen! (Derzeit werden etwa 75% des Budgets an der DUK durch die DUK (vor allem durch Einnahmen von Studiengebühren) selbst erwirtschaftet, nur 25% gibt es an Zuschüssen von Bund und Land.)
Dieses hohe Maß an (wirtschaftlicher) Eigenverantwortung hat nicht nur Vorteile: Abgesehen dass diese Verantwortung sehr belastend ist, befürchte ich auch eine Eigendynamik, die für eine Universität nicht nur von Vorteil ist: So kann der Druck entsprechende Einnahmen zu generieren, zu einer Anpassung an die Marktbedingungen führen, die auf lange Sicht kontraproduktiv sind. (Ich werde - wenn ich mich ein wenig besser auskenne und diese "Logik" besser durchschaue - darüber noch detaillierter berichten.)
Selbstbeschränkung ist angesagt
Ich finde es auf jeden Fall für einen enormen Vorteil, dass ich für einen Kongress, eine Auslandsreise, ein Besuch eines ausländischen Wissenschafters nicht lange vorausschauend Anträge schreiben muss, die dann letztlich vielleicht doch abgelehnt werden. Es ist angenehm, dass ich das, was im Rahmen des Budget ist, zu gegebenen Zeitpunkt dann auch recht unbürokratisch veranlassen kann. Gerade bei kleineren Beträgen (bis 500 Euro) waren in meiner bisherigen Erfahrung die bürokratischen Hürden, die oft zu überwinden waren, d.h. der Aufwand in keinem richtigen Verhältnis zum erreichbaren bzw. erzielten Nutzen.
Abgesehen davon, dass ich jetzt in einer Position bin, wo ich recht häufig kostenneutral eingeladen werde, kann ich auch selbst (wenn dies einmal nicht der Fall ist) relativ mühelos die Gelegenheit für einen Kongress, Auslandsreise etc. wahrnehmen. Allerdings wird der Erfolg an der DUK (bisher) weniger durch die damit erreichte wissenschaftliche Reputation gemessen sondern vor allem durch die Einnahmen durch Studiengebühren und Forschung. Internationale Gutachtertätigkeit, Sitzungen von Programmkommittees einschlägiger nationaler und internationaler Kongresse, Einladungen für Referate und Workshops fördern nicht unbedingt automatisch den wirtschaftlichen Erfolg des Departments; fehlen meinem Zeitbudget dann aber für andere Tätigkeiten, die eventuell ökonomisch und kurzfristig betrachtet, sinnvoller wären.
Bisher habe ich versucht beide Wege gleichermaßen voll ausgelastet zu beschreiten. Das ist aber auf lange Sicht weder zeitlich noch gesundheitlich möglich. Der Tag hat eben nur 24 Stunden, die Woche nur 7 Tage, ich bin 53 und habe auch eine Familie... Ich muss mir eine Strategie überlegen, die einen Kompromiss darstellt und mich nicht in alle möglichen (sicherlich ehrenvollen und attraktiven) Aktivitäten aufreibt. Statt sporadisch hier und dort einmal "nein" zu sagen, muss ich ganz systematisch bestimmte Tätigkeiten zurückschrauben. Wie ich das anpacken soll, weiß ich zwar noch nicht. Aber es gibt einen guten Indikator der mir zeigt ob ich dabei erfolgreich bin: Wenn ich wieder Zeit zum Bloggen (und Nachdenken) finde, dann ist dies ein Zeichen für mich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Bloggen ist in diesem Sinne wie eine Art Therapie für mich: Es hilft mir über die letzten Aktivitäten nachzudenken, mich (wieder) zu sammeln und strategisch ausgerichtete Pläne für die (Aus-)Wahl der nächsten Aktivitäten zu fassen.