Wissensvampire unter uns?

In zunehmenden Maße bekomme ich Mails, wo irgend jemand – den ich nicht kenne – irgend etwas von mir will. Nein, ich meine nicht damit klassische Spam Mail und auch nicht die 2-3 Fragebogen pro Woche (!), wo ich per Massenmail als Experte um meine Meinung gebeten werde. Diese Fragebögen fülle ich schon seit langem aus zeitlichen Gründen nicht mehr aus – obwohl mir das irgend wie leid tut. Man fühlt sich ja irgendwie der Wissenschaft verpflichtet… Nein, ich beziehe mich in diesem Beitrag auf Mails die individuell versendet und wirklich an mich als Person verschickt werden und – wie ich meine – in unverschämter Weise ohne irgendeine Gegenleistung Wissen (wie Blut) von mir abzapfen wollen.

In zunehmenden Maße bekomme ich Mails, wo irgend jemand - den ich nicht kenne - irgend etwas von mir will. Nein, ich meine nicht damit klassische Spam Mail und auch nicht die 2-3 Fragebogen pro Woche (!), wo ich per Massenmail als Experte um meine Meinung gebeten werde. Diese Fragebögen fülle ich schon seit langem aus zeitlichen Gründen nicht mehr aus - obwohl mir das irgend wie leid tut. Man fühlt sich ja irgendwie der Wissenschaft verpflichtet... Nein, ich beziehe mich in diesem Beitrag auf Mails die individuell versendet und wirklich an mich als Person verschickt werden und - wie ich meine - in unverschämter Weise ohne irgendeine Gegenleistung Wissen (wie Blut) von mir abzapfen wollen.

Da schreibt mir eine Consultant Firma, dass sie sich wundert, warum ich in einem Vortrag mehrmals moodle genannt habe. Ob ich denn nun nicht mehr Ilias (auch) empfehle? Könnte ich der Firma nicht vielleicht ein Update der letzten Entwicklungen seit meinem Evaluationsbuch über Lernplattformen schicken?

Der allgemeine, sozusagen prototypische Fall ist jedoch "social enquiry" von fremden (also nicht von mir betreuten) Studierenden. Sie schreiben derzeit gerade an einem allgemeinen Thema zu E-Learning (z.B. E-Learning in der Medizin) und würden gerne einige Literatutipps bekommen. Es handelt sich dabei um völlig unspezifische Mails, nicht etwa um eine interessante Fragestellung, mit der auch ich mich schon beschäftigt habe und zu der man/frau eine Diskussion wünscht. Nein, es scheint mir vielmehr, dass dies der allererste Rechercheschritt ist. Möglicherweise wird bei mir eine höhere Trefferquote als von google erwartet.

Der bisher frechste (ja, mir fällt kein anderes Wort hier ein) Versuch dabei ging so: "Sehr geehrter Herr Professor! Der Betreuer meiner Diplomarbeit [Name der Diplomarbeit = allgemeines Thema zu E-Learning] hat mich auf das Buch von Ihnen [Name des Buches] verwiesen. Leider ist es derzeit in unserer Bibliothek gerade ausgelehnt worden. Da ich sehr in Zeitnot bin, würde ich Sie bitte mir die Ergebnisse kurz zusammen zu fassen und mir per Mail zuzusenden. Danke im Voraus...."

Selbstverständlich antworte ich immer wieder fremden Studierenden anderer Unis, die nicht von mir betreut werden. Das geht dann aber über das Fachinteresse: "Sehr geehrter Herr Professor! Mir ist aufgefallen, dass bei Ihrem Diagramm im Buch XY ein Inkonsistenz steckt. [Es folgt die Erklärung, worin diese Inkonsistenz nach Meinung des Studierenden bestünde]. Was meinen Sie dazu? Sehe ich das falsch?".

Der allgemeine Fall für eine Antwort, sozusagen der prototypische Fall eines Gedankenaustausch, lässt sich durch Gegenleistung kennzeichnen: "Ich habe das und das erforscht und bin dabei auf die von Ihnen vertretene Meinung gestossen. Wie passt das zusammen? Ich würde dazu gerne Ihre Meinung einholen, Sie natürlich zitieren und - falls es Sie interessiert - Ihnen gerne auch meine fertige Diplomarbeit als PDF zuschicken."

Ich muss zugeben, dass sich mein Verhalten gegenüber den Wissenssaugern schrittweise geändert hat. Anfangs - als frisch gebackener Habilitierter 😉 - habe ich sogar noch geantwortet und mich gefreut, dass ich an fernen Unis rezepiert werde. Mit der Zeit habe ich diese einseitigen Monologe (ich bekam außer einem "Danke" nie eine Gegenleistung) aufgegeben und bin zur Strategie einer kurzen abschlägigen Mail ("Schauen Sie auf meine Homepage") übergegangen. Jetzt mache ich nicht einmal das und klicke bloß auf "Delete". Manche wundert das aber nicht sehr und so schicken sie mir ihre Mails mehrmals, zum Teil auch mit hoher Priorität. - Diese Profs! Schauen die nicht einmal ihre Mails regelmäßig durch?


PS: Ergänzung 24.11.06

Zur Klarstellung - Dieser Beitrag richtet sich natürlich an die falschen Leute! Ich habe diese Meldung nicht zur Abschreckung geschrieben; sondern es war als eher als witziger Kommentar gemeint. Die Leute, die ich meine, lesen nicht mein Weblog, machen sich nicht die Mühe selbständig nach Informationen zu suchen. Wenn Sie diesen Beitrag lesen, dann gehören Sie ja schon per Defintion nicht zu den Wissensvampiren, die ich im Beitrag beschreibe.

Uff, das war notwendig! Ich erhielt nämlich bereits aufgeregte Mail von einigen meiner Studierenden. Offensichtlich wirkt dieser Beitrag negativ und abschreckend. Vielleicht auch etwas überheblich? Das war nicht beabsichtigt - Ist da etwas in diesem Beitrag das - von mir unbewußt und nicht intendiert - diese abschreckende Stimmung transportiert. Bitte um Kommentare!

Re:Wissensvampire unter uns?

Kommentar von ckohls am 24.11.2006 15:57

Hallo,

dass viele Nutzer nicht nachdenken bevor sie eine Mail verfassen und falsche Vorstellungen über kostenlose Dienstleistungen pflegen, scheint mittlerweile ein weit verbreitetes Phänomen. Mir fällt auf, dass dies bereits das dritte Aufstöhnen in einem Blog ist:

Zuerst Jochen Robes über Recherchearbeit delegierende Journalisten:
http://www.weiterbildungsblog.de/archives/001073.html

Und vor ein paar Wochen Jay Cross, der es ebenfalls Leid ist, um Zusammenfassungen gebeten zu werden:
http://internettime.com/?p=744

Alle Blogger betonen dabei, dass sie gerne bereit sind, in eine qualifizierte Diskussion einzusteigen oder spezielle Auskünfte zu erteilen. Meine eigenen Erfahrungen zeigen, dass man auf wohlformulierte und durchdachte Anfragen in der Regel auch eine gute Antwort bekommt - auch von hochrangigen und/oder prominenten Wissenschaftlern. Die Nutzung von Experten als intelligente Suchmaschinen sehe ich allerdings auch als Beleidigung (und Resoucenverschwendung!) und kann Ihrem Beitrag daher nur zustimmen.

Re:Wissensvampire unter uns?

Kommentar von mullmann am 10.12.2006 23:33

In Michael KERRES´Blog findet man ebenfalls einen Eintrag zu diesem Thema:

http://mediendidaktik.uni-duisburg-essen.de/node/3193

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