Lesemarathon für 3 Dissertationen

Die letzten 14 Tage war ich wieder einmal völlig im Stress. Diesmal war es aber nicht durch Termine, Referate etc. verursacht, sondern — durch Lesen. Ich wusste gar nicht, dass auch bloßes Lesen Adrenalin in großen Mengen produzieren kann: 😉 Gleich 3(!) Dissertationen wurde praktisch zur selben Zeit fertig und mussten wegen knapper Deadlines gelesen und begutachtet werden. Schon ein eigenartiger Zufall: Meistens tut sich Monate lang in dieser Hinsicht gar nichts, 1-2 Dissertationen pro Jahr ist bisher mein üblicher Schnitt gewesen.

Der Stress hat sich aber ausgezahlt. Alle drei Dissertationen hatten einen starken Bezug zu meinen eigenen Forschungsthemen und brachten mir selbst sehr viele Anregungen:


Die letzten 14 Tage war ich wieder einmal völlig im Stress. Diesmal war es aber nicht durch Termine, Referate etc. verursacht, sondern --- durch Lesen. Ich wusste gar nicht, dass auch bloßes Lesen Adrenalin in großen Mengen produzieren kann: 😉 Gleich 3(!) Dissertationen wurde praktisch zur selben Zeit fertig und mussten wegen knapper Deadlines gelesen und begutachtet werden. Schon ein eigenartiger Zufall: Meistens tut sich Monate lang in dieser Hinsicht gar nichts, 1-2 Dissertationen pro Jahr ist bisher mein üblicher Schnitt gewesen.

Der Stress hat sich aber ausgezahlt. Alle drei Dissertationen hatten einen starken Bezug zu meinen eigenen Forschungsthemen und brachten mir selbst sehr viele Anregungen:

  1. Silvia Schania untersuchte "Die Bedeutung des E-Learning in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung in internationalen Unternehmen." Es handelte sich um eine empirische Studie an ausgewählten Unternehmen im Raum Österreich, die als Dissertation an der Wirtschaftsuniversität Wien eingereicht wurde. Auf der Grundlage 24 qualitativer Interviews, die mit ATLAS-ti ausgewertet wurden, hat Frau Schania vier grundsätzliche Typen konstruiert: Je nachdem wie weit der E-Learning Einsatz im Gesamtkonzept des Unternehmens bereits strategisch verankert wurde, unterscheidet sie: E-Learning Pioniere, konzernweite E-Learning NutzerInnen, österreichweite NutzerInnen sowie E-Learning NovizInnen. Einige sehr illustrative Fallbeispiele zeigen für mich, dass sich E-Learning in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung zumindest in Österreich noch in den Kinderschuhen befindet.

Daraus hat sich für mich gleich eine praktische Schlussfolgerung ergeben: Wir werden in meinem Department für Herbst 2008 zwei neue Weiterbildungsmaster entwickeln: Einer richtet sich an die Verantwortlichen in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung, die – so scheint es mir zumindest – meist in das E-Learning Thema "hinein geschlittert" sind und sich meist die erforderlichen Grundkenntnisse selbständig als "Work in Progress" individuell und mit wenig Unterstützung aneignen müssen. Ein weiterer Master wird auf Führungskräfte abzielen: Hierbei geht es vor allem um E-Learning Strategien, die entsprechend den Unternehmenszielen entwickelt, umgesetzt, begleitet und evaluiert werden müssen.

 

  1. Erstens wird häufig übersehen, dass "Lernerfolg" ein Konstrukt aus verschiedenen Dimensionen darstellt, die je nach dem gewählten Lernziel stark differieren können. So können beispielsweise entsprechend der Taxonomie von Anderson & Krathwohl die niederen kognitiven Prozesse wie Erinnern und Verstehen nicht mit dem Lernerfolg bei höheren Zielen wie Evaluierung und (Er)Schaffen verglichen und damit implizit gleichgesetzt werden. (Soweit passt es ja noch meistens bei den untersuchten Vergleichsstudien.)

Ein Beispiel zur besseren Verständlichkeit: Die Variable "Fahrerlebnis" ist eine Konstruktion, bei der – je nach dem theoretischen Ausgangspunkt und Modellierung der ForscherInnen – beispielsweise Faktoren wie Straßenlage, Geräuschpegel, Geschwindigkeit, Beschleunigung, Innenausstattung, Fahrkomfort etc. etc. einfließen können. Es wäre unsinnig nur eine der Dimensionen bei einer Vergleichsuntersuchung heranziehen.

  • Wenn zweitens traditionelle Unterrichtsmethoden wie Präsenzunterricht, Lernen mit Hilfe eines Buches etc. mit Online Lernen verglichen wird, werden meistens die beiden Vergleichsgruppen sowohl in ihrem Unterrichtsmethodik als auch in ihrem Testverfahren zur Feststellung des "Lernerfolgs" möglichst identisch aufgebaut.
  • Damit wird aber einerseits das besondere Potential der jeweiligen Unterrichtsmethode nicht berücksichtigt. Die interaktiven und kommunikativen Möglichkeiten Internet ausnutzend (Stichworte Web 2.0, Social Software), könnte ich ganz andere Unterrichtsszenarien – die z.B. auf höhere kognitive Prozesse abzielen – entwickeln, als dies beispielsweise im Präsenzunterrichts, mittels eines Buches oder einer DVD möglich möglich wäre. Warum sollte ich einen PKW und einen LKW gleichermaßen zur Personenbeförderung verwenden, wenn der besondere Vorteil des LKW eigentlich im Transport von Lasten liegt.
  • Andererseits ist aber – wenn tatsächlich auf die besonderen Eigenschaften und Potentiale Rücksicht genommen wird – absurd, diese Unterschiede dann mit derselben Prüfungsmethode zu erfassen. Es ist so wie bei dem Cartoon oben von Hans Traxler: Allen Tieren wird ungeachtet ihrer sonstigen Eigenschaften ("Begabungen") die gleiche Prüfungsaufgabe gestellt: "Klettern Sie auf einen Baum!" (Das Original der Karikatur von Hans Traxler ist übrigens im Karikaturenmuseum in Krems zu sehen!)

 

  • Annabell Preußler untersucht 11 Vergleichsstudien im Sinne einer Metaevaluation im Detail und zeigt auf, dass bis auf eine einzige Ausnahme die oben besagten Fehler durchgängig begangen wurden. Statt bei einem mehrdimensionalen Konstrukt wie es "Lernerfolg" ist, nur eine Dimension zu vergleichen, müssen ganzheitliche Arrangement (Lernsettings) in ihren (gleichzeitigen) Auswirkungen auf die einzelnen Faktoren untersucht werden. Daraus würden sich dann nicht nur Hinweise ergeben, welches Lernarrangements in Hinblick auf welchen Faktor zu empfehlen wären, sondern es würde damit auch das dynamische Wechselspiel der Faktoren untereinander verständlicher werden, was wiederum der Theoriebildung zur Lernforschung gut tun würde.
  • Maximilian Senges reichte seine Dissertation "Knowledge Entrepreneurship in Universities. Practice and Strategy in the Case of Internet Based Innovation Appropriation" an der Universitat Oberta de Catalunya im Rahmen des Programms über die Informations- und Wissensgesellschaft ein. Darin wird an Hand von 4 extensiv untersuchten Fallstudien sehr unterschiedlicher Universitäten (LSE, FU-Berlin, UPC und UOC) der Frage nachgegangen, welche Faktoren "Knowledge Entrepreneurship" an Universitäten begünstigen bzw. behindern. Knowledge Entrepreneurship wird jedoch nicht ökonomisch verstanden, sondern als die Fähigkeit definiert Gelegenheiten für Innovative Wissensprodukte zu erkennen, zu ergreifen bzw. durchaus auch selbst zu erzeugen. Auch hier wurden die 93 (!) Interviews, die sich auf Grundlage monatelanger Site Visits ergaben, mit ATLAS-ti ausgewertet und zwar auf der Folie von metatheoretischen Ausgangspunkten, die sich auf die Theorie komplexer Systeme und des Ansatzes von Gilles Deleuzestützten.Das Thema war für mich vor allem aus drei Gründen hoch interessant:

 

  1. Erstens hat Maximilian Senges die Fragestellung gerade unter dem Gesichtspunkt der Umsetzung von Internet Innovationen - also einem Thema das mich selbst auch sehr beschäftigt - untersucht. Ich bekam eine Unmenge von Anregungen, die ich erst noch entsprechend verarbeiten muss. Außerdem wurde ich auf Literatur gestoßen, die ich bisher noch nicht gekannt hatte.
  2. Zweitens war es eine Gelegenheit für mich über die besondere Rolle meiner eigenen Universität zu reflektieren, die es sich ja gerade als Ziel gestellt hat, solch eine "unternehmerische Universität" zu sein. Auch hier ergeben sich gerade jetzt, wo die Donau-Universität Krems (DUK) eine Strategiediskussion in Hinblick zur Ausgründung einer privaten Medizin-Universität führt, viele Anregungen für den mich interessierenden Bereich einer "Weiterbildungsuniversität". Auch hier muss ich erst noch diese Anregungen und Hinweise verarbeiten.
  3. Drittens aber faszinierte mich auch die phänomenologisch orientierte Handlungsforschung, die neben einer Daten, Methoden und Theorietriangulation auch eine Triangulation der ForscherInnen beinhaltete. Maximilian Senges hat bereits während des Schreibens seiner Dissertation sowohl den Prozess des Fortgangs als auch die laufenden Ergebnisse seiner Arbeit der einschlägigen Community in Form von (traditionellen) Präsentationen, sowie einer (bereits weniger üblichen) Mailingliste und vor allem aber auch mittels dem innovativen Ansatzes eines Wikis zur Verfügung gestellt. Damit wurde bereits während des Schreibens der Dissertation eine gewisse Validität der Daten, Methoden und Theorien erreicht. Im Augenblick wird gerade der gesamte Webauftritt unter http://www.knowledgeentrepreneur.com im Hinblick auf die Veröffentlichung der Ergebnisse komplett umgearbeitet.

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