Kritischer Bericht zur FernUniversität in Hagen

Bereits im Februar 2008 – als ich bei der Promotion von Annabell Preussler in Hagen war – hat man mir unter vorgehaltener Hand über ein negatives Gutachten zur FernUniversität berichtet. Inzwischen habe ich erfahren, dass dieser Bericht öffentlich diskutiert wird. Ich kenne die Studie nicht persönlich und kann mich daher nur auf die öffentliche Diskussion (vgl. Videointerview des WDR mit Rektor Hoyer und einen dazugehörigen Artikel Fernstudium noch so wie damals) beziehen. Es wird vor allem die zu geringe Nutzung des Internets für die Lehre kritisiert.


Zu wenig Internetnutzung in der Lehre

Bereits im Februar 2008 – als ich bei der Promotion von Annabell Preussler in Hagen war – hat man mir unter vorgehaltener Hand über ein negatives Gutachten zur FernUniversität berichtet. Inzwischen habe ich erfahren, dass dieser Bericht öffentlich diskutiert wird. Ich kenne die Studie nicht persönlich und kann mich daher nur auf die öffentliche Diskussion (vgl. Videointerview des WDR mit Rektor Hoyer und einen dazugehörigen Artikel Fernstudium noch so wie damals) beziehen. Es wird vor allem die zu geringe Nutzung des Internets für die Lehre kritisiert.

Interessant in diesem Zusammenhang sind die Kommentare einiger (weniger) Studierenden, die eigentlich mit der Situation ganz zufrieden sind. Offensichtlich können sich die Studierenden unter E-Learning nicht viel vorstellen. Das zeigen die Referenzen zu den CD-ROMs der FernUni oder mp3-Dateien, die sie als Beispiele erwähnen. Für mich ist das wieder einmal ein Beispiel dafür, dass es weniger um E-Learning an sich geht, sondern um die Umsetzung innovativer didaktischer Konzepte. Wir sollten daher immer über die pädagogisch-didaktischen Vorteile moderner Lehr-/Lern Arrangements sprechen, statt über die Technologie an sich (Stichwort: didaktischer "Mehrwert"). Rektor Hoyer versuchte dies im Interview bei seiner Stellungnahme. Allerdings meiner Ansicht nach ein wenig ungeschickt: Bloß von "Blended Learning" zu sprechen ohne die didaktischen Konzeptionen solcher  Lernumgebungen beispielshaft auszuführen, bedeutet nur ein Schlagwort durch ein anderes zu ersetzen.

Im übrigen glaube ich, dass die Kritik sehr spät kommt. Vor 5 Jahren – als ich einen Ruf für eine so genannte "Eckprofessur" in Hagen angenommen habe – sah ich noch eine gewisse Chance für eine rasche Strukturveränderung. Es waren fast gleichzeitig die Leitungen der Bibliothek, des Rechenzentrums und des Zentrums für Fernstudienentwicklung neu auszuschreiben. Außerdem gab es den Plan, dass mein damaliges Institut für Bildungswissenschaft und Medienforschung (IfBM) in Richtung Fernstudienforschung/E-Learning/Blended Learning verstärkt und ausgebaut werden soll. Dementsprechende Konzepte wurden erstellt und in den (z.T. auch von mir geleiteten) Berufungskommissionen wurden die dafür qualifizierten KollegInnen berufen.

Dann aber kam alles anders: Beharrungskräfte sträubten sich gegen eine zu starke und rasche Veränderung. Jede Neuerung (z.B. die Einführung einer systemweiten Lernplattform) war mit ungeheuren Schwierigkeiten verbunden. Tatsächlich und unglaublich: Die FernUni hatte bis zum Jahr 2006 noch kein Lernmanagement-System (LMS) standardmäßig für ihr gesamten Studienprogramm implementiert. Es gab da und dort zwar einzelne lokale Piloten, aber keine systemweite Implementierung.

Obwohl es scheint – und der kritische Bericht bestätigt das –, dass die weitere Entwicklung der FernUniversität bezüglich neuer systemweiter didaktischer Arrangements noch keine Konjunkur hat (so wurde z.B. die Nachfolge meiner Professur in Richtung empirische Bildungswissenschaften ausgeschrieben und immer noch nicht nachbesetzt), bin ich optimistisch. Ich weiß, dass meine damaligen InstitutskollegInnen viele innovative Ideen entwickeln und diese zumindest innerhalb der Bildungswissenschaft auch umgesetzt werden. Letztlich wird die Methode "steter Tropfen höhlt den Stein" auch Erfolg haben: Eine starke Integration moderner E-Learning Elemente in die universitäre Lehre ist heutzutage gerade bei einer FernUniversität nicht mehr zu vermeiden.  Pensionierungen und die damit verbundenen Neuberufungen werden diesen Trend sicherlich fördern. Allerdings ist es meiner Meinung nach schade, dass die FernUniversität in Hagen gerade in diesem Bereich, der eigentlich ihr Metier darstellen sollte, ihren Vorsprung verspielt hat und bis auf weiteres wohl keine Vorreiterrolle spielen wird.

Diese persönliche Einschätzung bezieht sich ausdrücklich nicht auf die vielen einzelnen lokalen Initiativen von ProfessorInnen und sogar Instituten. So gut und wichtig diese Projekte sind, so gilt es doch festzuhalten, dass E-Learning Strategien flächendeckend, d.h. systemweit implementiert werden müssen. Und das bedeutet wiederum, dass sie im Zusammenspiel von Top-Down und Bottom-Up Initiativen entwickelt und umgesetzt werden müssen. Aber vielleicht ist der aktuelle kritische Bericht ein Anlass für einen neuen Anlauf?

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert