Heute (24.09.2009) versuchte ich als Keynote auf der MoodleMoot 2009 an der TU Wien folgende Frage zur Diskussion zu stellen: Wenn ein wesentliches Kennzeichen von Web 2.0 die (massenhafte) Kooperation im (grenzenlosen) Austausch von (gemeinsam) produzierten Materialien ist, was bedeutet das für Lernprozesse, die auf geschützten "Lerninseln" (Kursräume innerhalb eines Lernmanagement Systems) stattfinden?
Sind LMS Web 2.0 fähig?
Noch bin ich mir nicht sicher ob meine recht komplex aufgebaute Argumentation in einer Keynote verpackt gut ankommen ist. Ich habe bisher die Erfahrung gemacht, dass ein Referat dann am Besten aufgenommen wird, wenn es einen zentralen Gedanken darstellt und vermittelt. In meiner TU-Keynote sind es aber gleich 3 unterschiedliche inhaltliche Fragestellungen, die ich zu einem Paket schnüren möchte:
- Die Kritik an Lernmanagementsystemen (LMS) als isolierte Lerninseln, wie sie z.B. von meinem Kollegen Michael Kerres in Potenziale von Web 2.0 nutzen geführt wird, greift meiner Ansicht nach gleich aus drei Gründen zu kurz.
- Sie konzentriert sich zu stark auf den Ort des Contents, der Ressourcen bzw. Werkzeuge und ist zu wenig auf Aktivitäten der Lernenden bezogen.
- Sie geht von einem eingeschränkten Verständnis von Web 2.0 aus. Der entscheidende Punkt bei Web 2.0 ist es aus meiner Sicht, dass – ausgehend von den Interessen der NutzerInnen Personen miteinander vernetzt werden und nicht wie vorher (sozusagen beim Web 1.0) bloß Inhalte durch Hyperlinks miteinander verknüpft werden.
- Lernen braucht auch immer einen geschätzten Raum, um Erfahrungen und insbesondere auch Fehler in einer vertrauensvollen Atmosphäre machen zu können.
- Im Hauptteil gehe ich dann auf die Besonderheiten von Web 2.0 ein. Das war eigentlich ein eigenes Referat innerhalb meines Referats. Diesen Teil der Folien habe ich auch schon in anderen Vorträgen verwendet.
- Im dritten und letzten Teil versuche ich dann die Konsequenzen für die Kombination von Web 2.0 und LMS (Lerninsel) zu ziehen. Ich gehe vom übergeordneten Begriff der Person oder Persönlichkeit aus. Lernen ist immer persönlich, auf die Person bezogen, muss also bei mir (und nicht bei Dir) stattfinden und kann daher nicht stellvertretend durchgeführt werden., Darauf aufbauend ist die von mir gemachte Unterscheidung zwischen öffentlicher und privater Sphäre für den weiteren Gedankengang zentral. Privat- bzw. Intimsphäre und öffentliche Sphäre haben jedoch für jede Person unterschiedliche Überlappungen – und das ist genau jener Bereich wo Lernen Vertrauen voraussetzt und in geschützten Räumen (wie z.B. innerhalb des geschlossenen Kurses in einem LMS) stattfinden muss.
Lernmanagementsysteme können also selbst in meiner umfassenden Definition von Web 2.0 durchaus Social Software durchaus sinnvoll nutzen: Einerseits (wie bisher) dadurch, dass ausgehend von der Aufgabe (Lernaktivität) vom LMS auf diese Ressourcen "da draußen" im Internet verwiesen wird, andererseits aber auch dadurch, dass Web 2.0 Aktivitäten ("da draußen") für das Lernen in den geschützten LMS-Kursräumen einbezogen werden.
Und soweit ich weiß geht die moodle-Entwicklung mit der Version 2.0 genau in diese Richtung, wenn z.B. auch externe Blogbeiträge in der Kursumgebung dargestellt werden können, gleichzeitig aber die im LMS erzeugten und/oder präsentierten Beiträge die Rückübersetzung (z.B. durch Trackbacking) in die weite Welt des Internets nicht erlauben. Den verwendeten Foliensatz (, 9.4 MB) finden Sie im Anhang zu diesem Beitrag.)
Ich wäre sehr an Web 2.0 Erfahrungen mit Lernmanagementsystemen interessiert und würde mich über entsprechende Kommentare und Hinweise freuen. Vielleicht macht es sogar Sinn eine Sammlung solcher Arrangements (Didaktisches Szenario) oder Entwurfsmuster (vgl. auch die Diskussion zum Pattern-Ansatz in meinem Weblog) für Web 2.0 Arrangements anzulegen und auszutauschen?