Am Rande des EURO-Plot-Meetings in Aalborg/Dänemark hat uns Prof. Henrik Schärfe eingeladen, seinen "zweiten Körper" an seinem "Center for Computer-mediated Epistemology" zu besuchen. Es handelt sich dabei um einen (von weltweit 3) täuschend menschlich aussehenden Robotern. Er wurde Henrik täuschend ähnlich nachgebildet, und kann in sitzender Stellung über eine bilderkennende Softwaresteuerung auch einige Bewegungen durchführen.
Etwa 100.000 US Dollar (ohne Softwareentwicklung) hat dieser Nachbau eines Zwillingskörpers gekostet. Das Ergebnis ist nicht nur verblüffend, sondern war - zumindest für mich - auch emotional aufwühlend. Der Roboter täuscht nämlich nicht nur im Video oder aus einigen Metern Entfernung, sondern auch ganz aus der Nähe. Selbst wenn man dem Roboter gegenüber auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch Platz nimmt (ca. 1 Meter) Entfernung, ist der Fake nicht erkennbar. Einzig und allein die Hände lassen den künstlichen Nachbau erahnen, weil sie etwas zu klobig geraten sind. Aber vielleicht entsteht auch dieser Eindruck nur, weil der Roboter die Hände (noch) kaum bewegen kann.
Henrik spricht vom Roboter als seinen "second body" und erzählt, dass er (auf sich selbst?) eifersüchtig war, als seine Frau ihn (den Roboter) umarmt hat. Als Carl – einer unserer EuroPlot-Projektpartner von der London Metropolitan University – mit seinem Fotoapparat das täuschend ähnliche Ohr des Roboters mit einem Makro-Objektiv aus 20 cm Entfernung fotografieren wollte, war Erik "not amused". Das Ohr wurde exakt - mit allen seinen kleinen Haaren, winzigen Einkerbungen etc. - seinem eigenen Ohr nachgebildet. Er fand daher dieses Foto als "unpassend", "aufdringlich" und fragte, ob Carl auch ihn mit seinem richtigen Ohr so fotografieren würde. Wohl nicht, das wäre doch eine zu große Verletzung der Privatsphäre.
Genau um diese Fragen geht es dem Center for Computer-mediated Epistemology: Wie reagieren Menschen, wenn sie mit solch einen täuschend ähnlichen Artefakt in Berührung kommen. Erik steuert Gemenoid-DK, wie die technische Bezeichnung des Roboters lautet, aus einem Nebenzimmer. Manche Internetkontakte kennt Erik nur über seinen "zweiten Körper". Meistens werden die PartnerInnen schon vor gewarnt und ihnen mitgeteilt, dass es sich um einen Roboter handelt. Bezüglich ethischer Fragen ist das Forschungsteam sehr sensibel. Aber innerhalb des Labors, wenn die ForscherInnen "entre nous" sind, wird das schon manchmal auch ein wenig lockerer gehandhabt. Was passiert eigentlich, wenn der "zweite Körper" von Henrik von einem anderen Teammitglied gesteuert wird. Wie fühlt sich Erik dabei?
Ich selbst durfte auch einmal den Roboter steuern. Dabei wurde eine Bilderkennungssoftware auf mein Gesicht geeicht. Das geht ganz schnell: 10-20 Sekunden ruhig in einem Computermonitor schauen, genügt. Ich sah im Computermonitor mein eigenes Gesicht und sobald die Software darauf "geeicht" war, wurde mein Gesichts mit weißen Strichen nach gezeichnet. Ab diesem Zeitpunkt war jede Bewegung meines Oberkörper eine (zeitlich um 0,3 sek minimal verzögerte) Bewegung des Roboters. Sogar meine Worte werden durch passende Mundbewegungen des Roboters simuliert. Nur der Ton passt noch nicht: Er kann aus technischen Gründen noch nicht "aus" den Roboter kommen. Lautsprecher im Mund versteckt, hatten nicht den gewünschten Effekt, weil der Ton bei den Mundbewegungen durch die Veränderung des Schallkörpers und Resonanzprobleme gestört wurde. Bei Menschen werden die Töne im Kehlkopf - selbst bei geschlossenem Mund - produziert. Der Roboter kann da (noch?) nicht mithalten.
Derzeit gibt es drei solche humanoide Roboter, zwei davon in Japan. Auch Gemenoid-DK, wie auch die Softwaresteuerung, wurde in Japan entwickelt. Wie täuschend echt Gemenoid-DK sich bewegen kann, zeigen erste Test. Das auf dieser Seite integrierte Video stammt noch aus der Testphase (März 2011); inzwischen wurde das Bewegungsrepertoir von Gemenoid-DK erweitert und verbessert.