Nach einem Urteil des EuGH (Pressemitteilung, Volltext des Urteils) müssen BetreiberInnen von Suchmaschinen nun auch Suchergebnisse, die auf personenbezogene Daten verweisen, unter bestimmten Umständen löschen. Inzwischen hat Google ein dafür vorgesehenes Formular ins Netz gestellt. Google selbst meldet, dass bereits am ersten Tag bereits 12.000 EuropäerInnen das Entfernen von Suchergebnissen beantragt, die die Privatsphäre oder den Datenschutz verletzten (ARD, 30.5.2014).
Google Löschanträge – zweischneidiges Schwert
Kaum hat Google das Formular online gestellt, hagelt es schon an Kritiken:
- Das Formular ist ziemlich versteckt und daher im Netz mit einer direkten Suche (selbst unter Verwendung von Google 😈 ) nicht leicht zu finden. Meistens kommen Artikel über das Formular oder andere speziellere Löschseiten von Google.
- Das Formular ist ziemlich kompliziert aufgebaut und schreckt ab. Außerdem wird der Eindruck erweckt, dass bestimmte Formvorschriften einzuhalten sind. Deshalb bieten viele Zeitungen, Dienste, Blogger etc. einfache Textdateien zum Download an (z.B. PC GAMES HARDWARE ONLINE, siehe auch Attachment auf dieser Seite).
- Der Löschantrag verlangt das Zusenden einer Ausweiskopie, wodurch selbst wieder ein Problem des Privatsphäre angeschnitten wird.
- Google prüft die Angaben entscheidet aber nicht selbst, sondern übergibt den Antrag an die nationalen Aufsichtsbehörden.
- Die Löschanträge müssen für jeden einzelnen Suchmaschinen-BetreiberInnen getrennt ausgefüllt werden.
Verwenden Sie daher nicht das Google Formular, sondern senden Sie die Word-Datei im Anhang per Post an Google. Die darin verwendete deutsche Google-Adresse gilt auch für in Österreich lebende InternetnutzerInnen.
Datenschutz oder Zensur?
Andererseits ist das EuGH-Urteil unter Juristen heftig umstritten, weil es zu ungenau formuliert ist. Es bezieht sich nämlich nicht ausschließlich auf sensible personenbezogene Daten, sondern kann ganz allgemein auf personenbezogene Daten angewendet werden. Damit aber kann es im Gegensatz zum Recht der Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit stehen!
So kritisiert der österreichische Medienrechtler Hans Peter Lehofer das Urteil, weil es den Datenschutz als Supergrundrecht installiert und damit einer möglichen Zensur – oder wie Lehofer es nennt: "Bowdlerisierung 1 des Internets" – Vorschub leistet.
Auch Hans Zeger von dem (österreichischem) Verein der ARGE Daten warnt vor dem Google Formular und betont – wie auch detaillierter und exakter Lehofer –, dass zwischen lokalen BetreiberIn und/oder Privatperson und großen Suchmaschinen unterschieden werden muss.
Der EuGH differenziert damit zwischen dem Grundrechtseingriff, der (allenfalls) durch die ursprüngliche Veröffentlichung erfolgt, und dem Grundrechtseingriff, der erst durch die Suchmaschine erfolgt, weil sie einen Link zu der - im Web frei zugänglichen - Information bei einer Anfrage nach dieser Person ausweist. Eine Veröffentlichung im Online-Auftritt eines Regionalmediums könnte beispielsweise zulässig sein, und dennoch dürfte sie über Google (oder andere Suchmaschinen) nicht gefunden werden. (Blog Lehofer)
Grundlage für diese Unterscheidung ist, dass
die Wirkung des Eingriffs in die genannten Rechte der betroffenen Person noch durch die bedeutende Rolle des Internets und der Suchmaschinen in der modernen Gesellschaft gesteigert [wird], die den in einer Ergebnisliste enthaltenen Informationen Ubiquität [Allgegenwart] verleihen. (aus dem Urteil des EuGH)
Fußnoten
- Thomas Bowdler (1754–1825) gab eine nach moralischen Kriterien entschärfte – d.h. zensurierte – Fassung der Werke von William Shakespeare heraus, die er für die Frauen und Kinder des 19. Jahrhunderts geeigneter als das Original hielt.