Unterrichtsmethoden als Muster beschreiben

Eines der wesentliches Ergebnisse in meinem Buch "Taxonomie von Unterrichtsmethoden – Ein Plädoyer für didaktische Vielfalt" ist die analytische Trennung von Unterrichtsmodell und Unterrichtsmuster. In Abstimmung mit dem Waxmann Verlag biete ich hier das dafür zentrale Kapitel 6 "Unterrichtsmethoden beschreiben" am Ende dieses Beitrags zum freien Download an.

Eines der wesentliches Ergebnisse in meinem Buch "Taxonomie von Unterrichtsmethoden - Ein Plädoyer für didaktische Vielfalt" ist die analytische Trennung von Unterrichtsmodell und Unterrichtsmuster. In Abstimmung mit dem Waxmann Verlag biete ich hier das dafür zentrale Kapitel 6 "Unterrichtsmethoden beschreiben" am Ende dieses Beitrags zum freien Download an.

Unterrichtsmodell

Die bisherigen Beschreibungen von Unterrichtsmethoden beruhen traditionellerweise auf  Unterrichtsmodelle sind prädiskriptive (vorschreibende) Darstellungen wie ein bestimmter didaktischer Effekt erreicht werden kann. Didaktische Beschreibungen im (reinen) Modell-Format legen daher bloß eine (didaktische) Marschroute fest, d.h. sie geben an, welche Richtung eingeschlagen werden soll und was dabei im allgemeinen zu bedenken ist.

Das Problem dabei ist – so eine der Hauptthesen meines Buches –, dass dieses Beschreibungsformat für den praktischen Einsatz noch zu abstrakt ist. Modelle sind vereinfachte und verallgemeinerte (d.h. abstrahierte) Rekonstruktionen der Realität. Sie geben zwar die Marschroute an, sagen aber einerseits wenig über die konkreten Voraussetzungen d.h. den Startpunkt der Reise aus und beschreiben andererseits aber auch nicht die auf dem Weg liegenden Stolpersteine und wie sie überwunden werden können. Unterrichtsmodelle kondensieren zwar umfangreiches didaktisches Erfahrungswissen, nehmen auf dieses Praxiswissen jedoch nicht ausdrücklich und explizit Bezug.  

Unterrichtsmuster

Each pattern describes a problem which occurs over and over again in our environment, and then describes the core of the solution to that problem, in such a way that you can use this solution a million times over, without ever doing it the same way twice.“ (Alexander: A Pattern Language 1977)

Muster, so wie es von der Pattern Community verstanden wird, ist ein auf Christopher Alexander
zurück gehendes Format, das einerseits sehr praxisnah ist, andererseits
aber doch so allgemein gehalten, dass häufige Wiederverwendung
gesichert ist. Musterbeschreibungen haben ein spezifisches Format, das
sowohl die Analyse aber auch die Darstellung von impliziten
ExpertInnenwissen unterstützt. Jedes Muster ist nicht nur für einen spezifischen Kontext, d.h. für einen konkreten Startpunkt gültig, sondern gibt auch die Mittel in die Hand, die auf dem Weg auftretenden Hindernisse zu überwinden.

Das interessante an Musterbeschreibungen aber ist, dass dies nicht durch
eine taxative Aufzählung und detaillierte  Beschreibung aller
Einzelheiten, d.h. durch die Vorschreibung eines genau festgelegten
Weges erfolgt. Das wäre bloß eine Praxisbeschreibung, die zwar sehr
konkret ist, aber deren Wiederverwendung durch unterschiedliche
Bedingungen in der Realität sehr eingeschränkt ist.  Typisch für
Unterrichtsmuster ist es, dass zwar Startpunkt und Ziel (Kontext und
Lösung) – und damit auch die allgemeine Marschroute – festgelegt sind,
dass aber für weiterhin der konkret einzuschlagende Weg frei zu wählen
ist.Die Lücke zwischen praxisnaher Beschreibung und hohem Grad an Wiederverwendung wird durch eine Analyse und Darstellung von Spannungsfeldern erreicht, die für die spezifische didaktische Methode konstitutiv sind. Spannungsfelder bestehen aus Kräften, die aufeinander wirken und zu bestimmten Wirkungen (positiven wie negativen) führen.

Mit ist bewusst, dass diese Anmerkungen selbst sehr abstrakt sind und nicht in der Lage sind für sich alleine ein Verständnis, ein sogenanntes "Aha"-Erlebnis zu vermitteln. Genau das ist der Grund, warum ich mit dem Waxmann Verlag vereinbart habe, dass das Kapitel 6 (PDF, 3.4MB) frei zugänglich gemacht werden soll.

Von der Schwierigkeit implizites Wissen zu explizieren

Es ist eine Eigenschaft von implizitem Wissen, "dass wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen" (Michael Polanyi 1985, Suhrkamp: Implizites Wissen oder Neuauflage 2009. Univ.Chicago Press: The Tacit Dimension). Ich habe mich mit den Eigenschaften dieser eigenartigen Wissensform bereits 1993 ausführlich in meiner Habilitationsschrift Der Hintergrund des Wissens (PDF, 1.7MB) beschäftigt (siehe vor allem Kapitel 7 und 8).

Wissen von ExpertInnen ist holistisch Erfahrungswissen, das sich
extrem schwer – und auch niemals vollständig – in die sequentiell
aufgebaute Sprache umsetzen lässt. Musterbeschreibungen sind aus meiner
Sicht – auch wenn dieser Zusammenhang zu "impliziten Wissen" bei
Alexander nicht direkt erwähnt wird - eine Methode diesen Widerspruch
zwischen Wissen und (sprachlichen) Ausdrucksformen zu lösen.

Muster sind bewährte Lösungen, die manchmal so bekannt sind, dass sie
als trivial gelten. Darin zeigt sich der häufig bemerkte Zusammenhang
zwischen implizitem Wissen und Alltagswissen. In bestimmten Situationen
sind wir alle ExpertInnen, z.B. beim Gehen oder Radfahren beides
Tätigkeiten, die sich sprachlich kaum ein-eindeutig ausdrücken lassen
wie z.B. die Schwierigkeiten der Programmierung dieser Aktivitäten bei
Robotern zeigen.

Im Rahmen des Masterlehrganges eEducation haben Christian Czaputa und ich zum ersten Mal Musterbeschreibungen für die Entwicklung eines didaktisches Designs eingesetzt. Wir haben uns dabei auf die Analyse-Ebene beschränkt und nur Unterrichtsmethoden herangezogen, die bereits sehr bekannt und in vielfältiger Weise beschrieben wurden. Unser Ziel war es dabei unter anderem, herauszufinden ob diese Vorgangsweise einen Vorteil bei der Analyse des didaktischen Mehrwerts einer Unterrichtsmethode mit sich bringt.

Aus meiner Sicht hat sich das Musterformat als Analysemethode äußerst bewährt! Ich war persönlich mehrmals verblüfft, wie die Analyse der Lösung, ihrer Kräfte, und Folgen manchmal zu einer komplett neuen Sichtweise der Unterrichtsmethode geführt hat. Manchmal hat eine  radikale Neubewertung einen ganz anderen didaktischen Mehrwert aufgezeigt, sodass selbst der Name der (bewährten) Methode geändert werden musste, weil er NutzerInnen die Marschroute vorgab, aber entweder das Ziel (den Zweck der Methode) ungenügend beschrieb oder aber den Ausgangspunkt (die notwendigen Kontextbedingungen) nicht ausreichend charakterisierte.

Weitere Pläne

Der Lehrgangsleiter Klaus Himpls-Gutermann wird in Zusammenarbeit mit den Studierenden demnächst eine (weitere) Webseite an unserem Institut eröffnen, auf der diese Musterbeschreibungen als Arbeiten der Studierenden vorgestellt werden. Wir stellen uns derzeit ein ähnliches Arrangement vor, wie dies für die E-Tutorials gewählt wurde.

Im Rahmen einer internationalen Arbeitsgruppe diskutieren wir die Einrichtung eines neues Portal für "Educational Pattern". Damit soll die Möglichkeit eröffnet werden, dass alle pädagogisch-didaktische Interessierten nicht nur Musterbeschreibungen nutzen, sondern an ihrer Erstellung bzw. Verbesserung mitarbeiten können. Diese Webseite wird wahrscheinlich in Englisch sein, was allerdings unter Umständen Nachteile bei der Verbreitung in deutschsprachigen Ländern mit sich bringen wird. Aber wie gesagt – wir sind hier noch im Diskussionsstadium. Das betrifft auch die Funktionalität dieses neu einzurichtenden "Pattern Repositoriums".

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