Was sind die Vorteile gegenüber einem normalen Whiteboard?
Digitale Tafelbilder lassen sich sehr gut vorbereiten und während der Lernsitzung dynamisch entwickeln und verändern. Ich kann so zum Beispiel mein Seminar planen, in dem ich bestimme Impulse, Fragen oder Abbildungen in einer Datei vorbereite. Während des Seminars sammeln die Teilnehmer ihre Antworten und Ideen am Board und können die Ergebnisse sichern. Das bedeutet auch: ich kann in der nächsten Sitzung wieder damit weiterarbeiten.
Wie wichtig ist es, dass erarbeitete Inhalte am Ende gespeichert werden? Wird das Mitschreiben durch die Lernenden überflüssig?
Ich halte es für sehr wichtig, dass durch die Speichern-Funktion die erarbeiteten Ergebnisse gesichert und allen Teilnehmern zugänglich gemacht werden. Ich kann mehrere Tafelbilder als PDF-Datei exportieren und per E-Mail versenden oder im Lernmanagementsystem veröffentlichen. Es geht dabei vor allem darum, dass ein Arbeitsergebnis gesichert wird. Dies ist natürlich kein Ersatz für die persönliche Mitschrift der Studenten. Im Gegenteil: es gibt immer die persönlichen Gedanken, die festgehalten werden und die gemeinsam erarbeitete Struktur. Diese lässt sich durch das Speichern für alle zugänglich machen.
Noch wichtiger ist aber vielleicht, dass ich eine Datei auch wieder öffnen und weiterbearbeiten kann. Wenn ich also ein Brainstorming durchführe, dann können die gesammelten Ideen in der nächsten Seminarstunde wiederaufgegriffen werden. Beim Brainstorming sollte man ja das Sammeln und das Bewerten von Ideen trennen – das lässt sich am SMART Board wunderbar umsetzen. Ich kann zum Beispiel erst einmal Vorschläge sammeln, wie ein Produkt attraktiver aussehen könnte. Danach verwende ich genau diese Vorschläge und sortiere sie nach Umsetzbarkeit. Ich kann ja alle Begriffe einfach verschieben und Seiten kopieren, um verschiedene Einordnungen auszuprobieren. Das Speichern von Ergebnissen und Zwischenergebnissen gibt mir also viel Freiheit.
Wie verändert sich das Arbeiten mit den Inhalten?
Durch die Interaktivität sind alle Texte, Zeichnungen und Bilder veränderbar. Teilnehmer können ähnliche Begriffe zusammenschieben, um Cluster zu bilden. Wenn sich Kategorien herauskristallisieren finden sich leichter weitere Beispiele. Wenn ich etwa ein Brainstorming zu E-Learning durchführe, dann fallen vielleicht mehrere Beispiele für E-Portfoliosysteme. Diese lassen sich visuell gruppieren und dadurch, dass die Kategorie „E-Portfolio“ identifiziert wurde, kann gezielt nach weiteren Beispielen für E-Portfolios gesucht werden.
Worauf sollte man beim Einsatz des interaktiven Whiteboards in der Hochschullehre achten?
Wichtig ist, dass man beim Arbeiten Schritt für Schritt Routine aufbaut. Daher sollte man auch mit Whiteboard-Software zuhause arbeiten und Dinge ausprobieren. Natürlich muss man zumindest einmal mit dem Board selbst Erfahrung sammeln, bevor man es das erste Mal im Unterricht einsetzt. Am Besten ist es also, wenn das Gerät zu bestimmten Zeiten eingeschaltet wird und Lehrende – zum Beispiel in der Mittagspause – ein wenig experimentieren können. Vielleicht sogar mit technischer oder didaktischer Unterstützung durch wissenschaftliche Hilfskräfte. Es gibt zwar mobile Lösungen, aber ich würde immer die feste Installation in einem Raum empfehlen und dort auch einen Rechner einsatzbereit anzuschließen. Dies erhöht die Akzeptanz und den Organisationsaufwand. Selbst wenn es nur 15 Minuten dauert, ein mobiles Gerät von Raum A nach Raum B zuschieben, ist dies in der Praxis meist zu viel. Dies macht hauptsächlich dann Sinn, wenn das Gerät für längere Zeiträume (zum Beispiel für ein Semester) seinen Standort wechseln soll oder für spezielle Veranstaltungen gelegentlich den Standort wechseln muss. Für den Dauerbetrieb gilt: eine feste Installation ist praktikabler. Und natürlich sollte der Raum nicht zu groß sein – für den großen Hörsaal sind interaktive Displays besser. Das Bild wird dann mit einem Projektor großflächig wiedergegeben und das Beschriften von Inhalten geschieht am Display. Interaktive Whiteboards eignen sich am Besten für Seminar- und Besprechungsräume, für Computerräume, Medienlabore oder informelle Lernecken.
Welche Einsatzszenarien siehst du?
Das SMART Board eignet sich auch zum Planen von Experimenten oder Forschungsvorhaben. Durch die Kombination von handschriftlichen Skizzen, Fotos und Texten lassen sich Zusammenhänge besser visualisieren und neue Ideen entwickeln. Projektideen und Besprechungen werden durch das Speichern dokumentiert und können allen Partnern zur Verfügung gestellt werden. Digitale Tafelbilder lassen sich natürlich auch einfacher per Videokonferenz übertragen und die Zusammenarbeit mit anderen Hochschulstandorten wird vereinfacht. – Das ist vor allem für gemeinsame Forschungsprojekte nützlich.
In der Vorlesung oder im Vortrag würde ich nicht zu viele interaktive Elemente einbauen – das lenkt eher ab. Man sollte nicht, nur weil das interaktive Whiteboard vorhanden ist, plötzlich alles damit machen, sondern sich überlegen, wann durch das dynamische Verändern von Inhalten ein didaktischer Nutzen entsteht. Das kann zum Beispiel das Einstellen von Parametern in einer Simulation oder das Skizzieren von Experimenten sein. Prinzipiell lässt sich auf jede PowerPoint-Folie und auf jedem Programm mit digitaler Tinte schreiben. Man kann also auch in einer Präsentation Bilder beschriften und bestimmte Stichpunkte spontan hervorheben wenn Nachfragen kommen.
Die Stärken liegen aber im Analysieren, Diskutieren und kreativen Arbeiten – also zum Beispiel Brainstorming, Mindmapping, Clustern, gemeinsam Ideen sammeln und bewerten.
Geschieht die Arbeit nur am Whiteboard oder können Smartphones, Tablets und Laptops von Studenten eingebunden werden?
Bring Your Own Device ist sicherlich eines der größten Themen in den nächsten Jahren. In der Studienpraxis haben inzwischen fast alle Studenten ihr eigenes Gerät dabei. Für die SMART Notebook-Software gibt es eine Erweiterung, mit der Beiträge von jedem webfähigen Gerät ans SMART Board geschickt werden. Die Erweiterung ist gerade im offenen Betatest und heißt „Extreme Collaboration“. Und das trifft die Sache sehr gut, denn wenn 40 oder 50 Studenten gleichzeitig Ideen an das SMART Board senden, dann kann ich innerhalb weniger Augeblicke sehr viele Stichpunkte sammeln. Statt 20 Minuten die Ideen aufzuschreiben, kann ich die Zeit nutzen, um darüber zu diskutieren. Zudem melden sich nicht nur die "lautesten" Studenten zu Wort. Jede Idee wird gewürdigt – „No ideas left behind“. Mir fallen da Dutzende Szenarien ein und wir sind gerade dabei die verschiedenen Möglichkeiten zu dokumentieren.
In einigen Pilotprojekten testen wir das Ganze auch schon mit dem Versenden von selbstaufgenommenen Bildern. Mit dem Smartphone lässt sich dann ein Arbeitsergebnis einer App als Screenshot oder die berühmte Skizze auf der Serviette als Foto aufnehmen direkt auf die Whiteboard-Seite schicken. Zudem können Fotos von Experimenten, Gruppensituationen oder Exkursionen auf eine Seite geschickt werden. Das alles funktioniert ohne großen Aufwand, weil auf den Geräten der Studenten keine Software installiert sein muss. Damit sind ad-hoc Diskussionen möglich. Die gesammelten Bilder lassen sich wiederum beschriften und strukturieren – Arbeitsergebnisse und Aufnahmen können sich ergänzen oder miteinander verglichen werden. Die Möglichkeiten sind sehr vielfältig, jetzt geht es darum, die Methoden empirisch zu testen und die besten Ansätze in die Breit zu tragen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Noch ein Literaturtipp: Kohls, Christian. 2011. Mein SMART Board. 2. Aufl. KIDS interactive.