Ich habe soeben die Restriktion "Non-Commercial" aus der Lizenz meines Weblog heraus genommen. Damit bin ich nun konform mit der Definition von "Freien Kulturellen Werken" (Free Cultural Works).
Ehrlich gesagt, kenne ich mich mit legalen Sachen nicht besonders gut aus. Und die aktuelle Situation bezüglich freier Lizenzen ist ja auch nicht ganz unkompliziert. Alleine aus emotionalen Gründen hatte ich daher die Restriktion eingebaut, dass Inhalte meines Weblogs nicht kommerziell genützt werden dürfen. Wäre ja noch schöner – so hatte ich gedacht – dass da andere Leute mit meinem Engagement und meiner Arbeit Geld verdienen!
Copyright, Creative Common, und Gemeinfreiheit
Inzwischen sehe ich das ein wenig anders: Zuerst einmal muss betont werden, dass ich ja weiterhin auf dem Recht der Namensnennung bestehe. Zum Unterschied von Gemeinfreiheit (Public Domain) wo alle Rechte aufgegeben werden und Copyright (wo alle Rechte behalten werden) reserviert die Creative Common Lizenz gezielt einige Rechte. Statt den Extremen "All rights reserved" (= Copyright) und "No rights reserved" (= Public Domain) gilt bei der Creative Common Lizenz "Some rights reserved". (Ausnahme ist die neue CC0, die identisch mit Gemeinfreiheit/Public Domain ist.)
Mein Schlüsselerlebnis bezüglich der kommerziellen Nicht-Nutzung hatte ich bei einem Vortrag zur didaktischen Theorie virtueller Lernarrangements in Stuttgart. Mein Kollege Michael Klebl, der jetzt bei der WHL Wissenschaftliche Hochschule Lahr, einem Unternehmen der AKAD-Gruppe arbeitet, wollte gerne gewisse Materialien von mir für das eigene Haus adaptieren und für die eigene Lehre übernehmen. In diesem speziellen Fall wollte ich gerne die Restriktion der nicht-kommerziellen Nutzung aufheben, bestand aber weiterhin auf "share-alike". Wenn Änderungen gemacht werden, dann muss das neue Produkt wieder der Community mit derselben Lizenz zur Verfügung gestellt werden.
Mein "Zugeständnis" dabei von der Idee geleitet, dass es doch insgesamt gut für den Bildungssektor ist, wenn die (Lehr-)Materialien verbessert werden. Die kommerzielle Nutzung von AKAD – die ja auch entsprechende Arbeit in die Verbesserung investieren muss – meine damit verbundene Namensnennung und ein besseres Bildungsprodukt! Was lässt sich mehr wünschen: Eine Win-Win-Situation für alle Seiten: Für mich, für die AKAD und für den Bildungssektor insgesamt.
Beim genauen Durchdenken des Szenarios musste allerdings Michael Klebl davon Abstand nehmen: Er kann nicht Studienmaterialien seiner Organisation – auch wenn es es sich um Material handelt, dass "nur" verbessert wird – frei zu Verfügung stellen. Die Bedingung "share-alike" wirkt hier also als eine schwer zu überwindende Schranke für kommerzielle Unternehmungen. Abgesehen davon, dass ich seine Befürchtung für grundlos halte – weil sich aus meiner Sicht, die Qualität der Lehre nicht auf die Qualität der Lehrmaterialien, sondern auf die Qualität der Lernbetreuung gründet (wovon Lehrmaterialien nur ein Faktor davon sind) –, zeigte mir dieses Gedankenexperiment, dass sowohl Bearbeitung als auch kommerzielle Nutzung erlaubt werden können, wenn die Weitergabe zu gleichen Bedingungen ebenfalls vorgesehen ist.
Freies Kulturelles Werk – Was bedeutet das?
Wem die Bezeichnung Freies Kulturelles Werk zu umständlich ist, kann auch abgekürzt "Freie Inhalte" sagen. Im Folgenden zitiere ich aus der deutschen Übersetzung der Definition dieser Lizenz (Version 1.0):
Um im Sinne dieser Definition als „frei” zu gelten, muss eine Lizenz folgende Freiheiten unbeschränkt
- Die Freiheit, das Werk anzuwenden und es aufzuführen: dem Lizenznehmer muss jede Verwendung des Werkes, ob privat oder öffentlich, gestattet sein. Sollte es für die Art des Werkes relevant sein, muss diese Freiheit abgeleitete Nutzung („verwandte Rechte”) wie Aufführung und Interpretation einschließen. Es darf keine Ausnahmen, etwa bezüglich politischer oder religiöser Überlegungen, geben.
- Die Freiheit, das Werk zu studieren und die Informationen anzuwenden: dem Lizenznehmer muss es gestattet sein, das Werk zu untersuchen und daraus gewonnenes Wissen zu jedem Zweck anzuwenden. Die Lizenz darf, zum Beispiel, „reverse engineering” (engl., etwa: umgekehrt entwickeln, rekonstruieren) nicht beschränken.
- Die Freiheit, Kopien des Werkes zu verbreiten: Kopien dürfen verkauft, getauscht oder verschenkt werden, egal ob als Teil eines größeren Werks, einer Sammlung von Werken, oder alleine. Die Informationsmenge, die kopiert werden kann, darf nicht beschränkt werden. Desweiteren darf nicht beschränkt werden, wer die Information kopieren darf oder wo sie kopiert werden darf.
- Die Freiheit, abgeleitete Werke zu verbreiten: Um jedem die Möglichkeit zu geben, ein Werk zu verbessern, darf die Lizenz die Freiheit, eine veränderte Version zu verbreiten (bei physischen Werken trifft dies auf alle Ableitungen zu), gleich, welchem Zweck die Veränderung dient, nicht beschränken. Allerdings dürfen Einschränkungen, die diese Freiheiten oder die Anerkennung des Autors schützen, eingesetzt werden. [Hier ist Namensnennung aber die Auflage, dass bei einer Veränderung das Werk wieder frei sein muss, zu nennen. pb]
Soweit, so gut! Nun kommen jedoch Spezifizierungen, wo ich glaube, dass ich sie bisher – trotzdem ich den Wunsch gehabt hatte, meine Arbeit möglichst frei zur Verfügung zu stellen – nicht im vollen Umfang eingehalten habe:
- Erhältlichkeit des Quellmaterials: Sollte das Werk aus einer Quelldatei oder mehreren Quelldateien erstellt sein, muss das gesamte benötigte Quellmaterial unter den selben Bedingungen erhältlich sein. Dies können die Noten einer musikalischen Komposition, die Modelle einer 3D-Szene, die einer wissenschaftlichen Publikation unterliegenden Daten, der Quelltext eines Computerprogramms, oder etwas ähnliches sein.
- Verwendung eines freien Fomats: Das Format, in dem ein digitales Werk erhältlich ist, darf nicht von Patenten beschützt sein, falls keine weltweite, unbeschränkte, unkündbare, kostenfreie Genehmigung zur Verwendung der patentierten Technologie vorliegt. Sollte ein nicht freies Format aus praktischen Gründen bevorzugt sein, muss eine Kopie in einem freien Format ebenfalls erhältlich sein, damit ein Werk als frei bezeichnet werden kann.
- Keine technischen Beschränkungen: Das Werk muss in einer Form ohne technische Maßnahmen, die die die oben genannten essentiellen Freiheiten vereiteln, erhältlich sein.
- Keine anderen Einschränkungen: Das Werk selbst darf nicht von rechtlichen Einschränkungen (etwa Patente, Verträge, Schutz der Privatsphäre), die die oben genannten Freiheiten vereiteln würden, betroffen sein. Ein Werk darf sich bestehende rechtliche Ausnahmen des Urheberrechts (um geschützte Werke zu zitieren) zunutze machen, wobei aber nur die unbestritten freien Bestandteile ein Freies Werk ausmachen.
In anderen Worten: sollte ein Benutzer des Werkes aus rechtlichen oder praktischen Gründen die grundsätzlichen Freiheiten nicht ausüben können, kann das Werk nicht als „frei” angesehen werden, und sollte nicht so bezeichnet werden.
Über die obigen Punkte muss ich noch nachdenken und mich vielleicht von Spezialisten beraten lassen. Ein Beispiel meiner Unklarheit: Ist es korrekt, wenn ich Inhalte zwar ohne Passwort, aber als PDF – und daher mit eingeschränkter Zugänglichkeit – zur Verfügung stelle? Insbesondere bei Präsentationsfolien bedeutet dies eine starke Einschränkung. Abwandlungen, Ergänzungen, etc. sind da kaum möglich – oder nur durch entsprechendes Know How und entsprechenden Konvertierungsarbeiten.
Wenn ich die obigen Punkte richtig verstehe, dann müsste ich alle Werke auch (zusätzlich) in offenen Dateiformaten anbieten. Das erfordert Know How über die einschlägigen Datenformate wie sie zwar in verschiedenen Webseiten zusammengestellt sind (z.B. Offene Dateiformate – deshalbfrei.org, Offenes Format – Wikipedia, Why use open formats? – openformats.org) aber doch eine entsprechende Beschäftigung und Kenntnis im Umgang damit erforderlich machen.
7 Antworten auf „Freies Kulturelles Werk – Neue Lizenz meines Weblogs“
Lieber Peter,
nur um dein Gedankenexperiment weiterzutreiben – wenn du die Inhalte deines Blogs unter CC-BY SA stellst, gilt das für alles was darin vorkommt. Dies bedeutet auch für Bilder oder Inhalte die du ev. von anderen übernimmst.
Wenn diese jedoch nicht unter dieser Lizenz stehen, darfst du das natürlich auch nicht 🙂 …
willkommen in der Welt des Urheberrechts – L3T hat gerade sehr unter diesen Einschränkungen gelitten
liebe Grüße
Martin
Danke für den Hinweis. Das war mir bewusst. Damit schlagen wir uns bereits bei der Zusammenstellung von Lernobjekten zu E-Learning Kursen herum. Das Lernobjekt mit der restriktivsten Lizenz „ruiniert“ mit seiner unfreien Lizenz den offenen Zugang zum gesamten Kurs.
Ich glaube fast, dass wir uns in dieser Hinsicht verstärkt politisch betätigen müssen. Ich will aber nicht schon wieder eine neue Baustelle aufmachen. Wer (welche Partei) kümmert sich eigentlich um die katastrophalen Zustände im Urheberrecht bezogen auf Bildung? (Piraten? Grüne?)
Sehr geehrter Herr Baumgartner,
vielen Dank für Ihre Betrachtungen zu diesem Thema.
Ergänzen möchte ich dazu, dass die Trennlinie kommerziell/nicht-kommerziell heute nicht mehr zwischen Organisationen (private vs. staatliche Hochschulen) gezogen werden kann. Durch gebührenfinanzierte Weiterbildungsstudiengänge sind auch staatliche Hochschulen vermehrt wirtschaftlich tätig.
Und um Ihren Gedankengang weiterzuführen, dass bei verbundenen Werken mit unterschiedlichen Lizenzen die restriktivste Lizenz gilt, müsste jeder Autor von Lernmaterialien eigentlich eine Datenbank mit den Lizenzen aller verwendeten Materialien führen.
Organisatorisch/technisch ließe sich so etwas mit Repositories abbilden, die durch die Hochschulen bereitgestellt werden und auch z.B. nahtlos in diverse LMS eingebunden werden können. Aufgrund der damit verbundenen Kosten und Haftungsprobleme wird diese Idee aber sicher nur wenige Umsetzungen finden.
Mit freundlichen Grüßen aus dem Norden Deutschlands
Arne Möller
Sehr geehrter Herr Möller,
ich sehe das auch so, wie Sie. Sowohl den Punkt mit den Hochschulen als auch die Komplexität der Verwaltung der Lizenzbedingungen in Repositorien.
Zum Letzteren allerdings eine Anmerkung oder Idee: Ich denke an ein Werkzeug, das uns die Zusammenstellung von Lernobjekten zu Kursen (auch) unter Lizenzbedingungen ermöglicht. Solch ein Werkzeug könnte unter einer vorgegebenen Lizenz-Bedingung mir nur mehr jene Objekte anzeigen, die darunter fallen. Oder umgekehrt: Aus einer Menge von Lernobjekten „fischt“ dieses Werkzeug jene Objekte heraus, die kritisch sind, auf die vielleicht verzichtet werden sollte, oder die mit ähnlichen Objekten – aber freieren Bedingungen – ersetzt werden sollten.
Hallo Herr Baumgartner,
so ein Werkzeug wäre phantastisch!
Es setzte allerdings voraus, dass alle als Quellen in Frage kommenden Dateiformate (JPEG, AVI, DOC, PDF, ODF…) Metainformationen zur Lizenz tragen. Zudem müssten dann auch alle Autoren/Distributoren von Inhalten diese Metainformationen in Ihren Dateien pflegen…
Solange diese Bedingungen nicht gegeben sind, bleibt nur die manuelle Übertragung der Lizenzinformationen in z.B. Datenbanken oder Repositorien.
Ist dieser Datenbestand vorhanden, so wäre das gewünschte Werkzeug nur noch eine Frage geeigneter Abfragemasken der Datenbank.
Bei Stöbern im Netz zu diesem Thema bin ich auf eine Präsentation von J. Schmitz, Universitätsbibliothek Osnabrück, http://www.dini.de/fileadmin/workshops/oa-netzwerk-februar2009/schmitz.pdf aus dem Jahr 2009 gestoßen, die die zahlreichen technischen, administrativen und rechtlichen Aspekte der Einführung eines Repositoriums zeigt.
Sonnige Grüße in den Süden
Arne Möller
PS Das von den Osnabrückern gewählte Werkzeug filtert nach Lizenzmodellen.
Lieber Peter,
im Bezug auf OER und Parteien in DE gilt derzeit (in etwa):
http://www.hertie-school.org/blog/open-educational-resources-in-deutschland-viel-wohlwollen-wenig-ideen/
– in DE im Wesentlichen die Piraten und die Linken. Ich vermute, in AT sind es (nur) die Piraten.
lg
Sandra
Die Lizenz- und Urheberrechtsfrage ist sehr komplex. Das unterstrichen auch die Beiträge zur wikimedia OER-Konferenz an diesem Wochenende: recht anschaulich, welche Folgen die Einschränkung – nicht kommerziell – hat und dass dies insbesondere die Redlichen trifft. In der OER-Konferenz am 14./15.9. in Berlin wurde dies sehr anschaulich beleuchtet.
Eine praktikable Lösung für eine breite Nutzerschaft bleibt eine Herausforderung und sollte meiner Meinung nach auf mehreren Ebenen angestrebt werden: