Learning Outcomes und Prüfungsmethoden

Der Beitrag erläutert meine Motivation Seminar-Unterlagen aus dem vorigen Jahr frei zur Verfügung zu stellen. Es handelt sich um eine Zusammenstellung zur Formulierung und Überprüfung von Lernergebnissen ("Learning Outcomes"), sowie zum Abgleich ("alignment") von Lernergebnissen und Prüfungsmethoden.

Ich habe mich im vorigen Jahr intensiv mit der Frage der Formulierung und Überprüfung von Lernergebnissen ("Learning Outcomes") und ihrer curricularen Integration beschäftigt.

Grundlage für diese Beschäftigung war ein Projekt zur Curriculumsentwicklung an der Veterinärmedizinischen Universität Wien und zwei Seminare für LehrgangsleiterInnen und andere Interessierte an meiner eigenen Universität.

Die Bloom'sche Taxonomie: modifiziert und erweitert

Als theoretische Grundlage für die Formulierung von Lernergebnissen habe ich die modernisierte Taxonomie von Anderson und Kollegen angewendet, die 2000 erstmals publiziert wurde. Sie baut auf der berühmten und alt-ehrwürdigen Bloom'schen Taxonomie auf, modifiziert und erweitert sie aber. Die Arbeitsgruppe, die diese Taxonomie ausgearbeitet hat, steht allerdings ganz klar in der Tradition von Bloom: David Krahtwohl, seinerzeitiger Mitarbeiter von Bloom hat beispielsweise an der modifizierten Entwicklung mitgearbeitet.

Der wichtigste Unterschied zwischen beiden Taxonomien wird daran erkannt, dass die Bereiche Synthese und Evaluation bei Bloom zu Evaluation ("Bewerten") zusammengefasst. Dafür gibt es einen neue, höhere Ebene "Create" (Erzeugen). Außerdem gibt es in der allgemeinen Konzeption noch vier weitere Neuerungen, die wichtig sind (vgl. Baumgartner 2011, S.36-40):

  1. Die bei Bloom vorherrschende Rolle der passiven Erinnerung wurde zurückgenommen um einen Gleichwertigkeit mit den anderen (höheren) kognitiven Prozessen zu erreichen.
  2. Die neue Taxonomie hat Unterkategorien entwickelt, die dem realen Unterrichtsgeschehen und der Alltagssprache näher sind.
  3. Wissensarten und kognitive Prozesse wurden getrennt, sodass sie nun explizit adressierter sind.
  4. Die neue Taxonomie ist nicht mehr bloß auf Beurteilungsmethoden spezialisiert sondern kann gleichermaßen für die Planung des Unterrichts, des Curriculums und der Prüfung verwendet werden.

Zu betonen ist jedoch, dass beide Taxonomien auf kognitive Prozesse beschränkt sind, dass also der psychomotorische und emotionale nicht berücksichtigt wurde und hierzu andere Taxonomien herangezogen werden müssen.

Liste von Zeitwörtern und Abgleich mit Prüfungsmethoden

Es gibt in der Zwischenzeit einige wertvolle Materialien zu Learning Outcomes im Netz. Das Thema hat nicht erst seit dem European Qualifications Framework der EU (siehe das Paper Using Learning Outcomes (PDF, 6.5MB) eine enorme Bedeutung. Eine Google-Suche ergibt über 30 Mio.(!) Treffer.

Ich muss mir daher der Frage stellen, warum ein weiteres Papier zu Learning Outcomes? Ich möchte dafür die folgenden zwei Gründe anführen:

  1. Taxative Liste von Tätigkeitswörtern und ihre Einordnung: In vielen mir bekannten Unterlagen wurde sehr schludrig mit den Zeitwörtern und ihrer Einteilung in die Taxonomie umgegangen. Abgesehen davon, dass deutsche Übersetzungen aus dem Englischen nicht trivial sind, wurde auch der Doppeldeutigkeit mancher Tätigkeitswörter wenig Beachtung geschenkt: So kann z.B. "identifizieren" sowohl als Teil von Erkennen unter "erinnern" als auch unter "analysieren" kategorisiert werden. Oder "interpretieren" als paraphrasieren (= mit eigenen Worten beschreiben) oder aber höher als "bewerten" eingestuft werden. Vor allem aber musste ich bemerken, dass häufig auch Zeitwörter verwendet wurden, die keine klare Einordnung zulassen und daher ganz zu vermeiden sind. Die von mir zusammengestellte Liste legt besonderen Wert auf die Auflösung von Doppeldeutigkeiten und der Vermeidung nicht operationalisierbarer Tätigkeitswörter.
  2. Abgleich (Alignment) von Lernergebnisse und Prüfungsmethoden: Es gibt extrem viele Handreichungen zu "Learning Outcomes", aber auch zu Prüfungsmethoden ist viel Material – wenn auch bereits weniger – frei verfügbar. Was aber meistens fehlt ist der die Zuordnung der Prüfungsmethode zur Ebene des Lernergebnisses. Ein Lernarrangements mit einem bestimmten Lernziel braucht zur Überprüfung der Lernergebnisse eine dazu adäquate Prüfungsmethode. So können Learning Outcomes der höheren kognitiven Ebenen nicht einfach – wie häufig behauptet – mit Multiple Choice Tests geprüft werden. Ich stehe zu dieser Aussage, auch wenn immer mehr "non-profit" kommerzielle Testinstitute wie z.B. ETS dies anders sehen und damit auch noch Erfolg haben, weil sie von angesehenen Akkreditierungsinstitutionen empfohlen werden. [Nebenbei gesagt halte ich die Ausgliederung der Prüfungsdidaktik an kommerzielle Testinstitute für einen Skandal. Gerade der Zusammenhang zwischen Lernergebnissen und Prüfungsmethode ist ein wesentlicher Bestandteil des Curriculums und muss als Expertise den für die Curricula verantwortlichen Institutionen vorbehalten bleiben. Abgesehen davon, dass damit die Kompetenzen von Hochschulen "filetiert" werden, stellt dies eine weitere Stufe auf dem Weg zur "Taylorisierung" von Wissensorganisationen dar. (Vgl. dazu meine kritische Untersuchung "Wie wirklich ist die virtuelle Universität? – Neue Formen der Studienorganisation" aber auch die enzyklopädische Behandlung bei Rolf Schulmeister Virtuelle Universität – Virtuelles Lernen und in eLearning: Einsichten und Aussichten.]

Es sind diese beiden Punkte, die ich bisher bei anderen Handreichungen vermisst bzw. kritisiert habe und die mich letztlich bewogen haben, meine Seminar-Unterlagen (nach Rückfrage bei der VetMed) als eigenes Paper herauszugeben.

Neue Lizenz

Bitte beachten Sie, dass ich dazu eine sehr offene Lizenz verwendet habe. Es ist nur meine Namensnennung notwendig. Sowohl kommerzielle Nutzung als auch Ergänzungen, Änderungen etc. sind möglich. Allerdings muss dann das neue Produkt wieder unter derselben freien Lizenz angeboten werden. Und wie bei allen Creative Common Lizenzen: Die Datei darf unter diesen Bedingungen auch selbständig (auf Webseiten aber auch mit anderen Methoden) vertrieben bzw. angeboten werden. Siehe dazu genauer den ausführlicheren Artikel  zur neuen freien Lizenz meines Weblogs.

Literaturhinweise zur selbständigen Recherche:

  • Anderson, Lorin W.; Krathwohl, David R.; Airasian, Peter W.; u. a. (Hrsg.) (2000): A Taxonomy for Learning, Teaching, and Assessing: A Revision of Bloom’s Taxonomy of Educational Objectives. Longman Publishing Group. — ISBN: 0321084055
  • Baumgartner, Peter. 2000. Wie wirklich ist die virtuelle Universität? - Neue Formen der Studienorganisation. In: Universität im 21. Jahrhundert - Zur Interdependenz von Begriff und Organisation der Wissenschaft, hg. von Stephan Laske, Tobias Scheytt, Claudia Meister-Scheytt, und Claus Otto Scharmer, 339–360. München/Mering: Rainer Hampp.
  • ---. 2011a. Taxonomie von Unterrichtsmethoden: Ein Plädoyer für didaktische Vielfalt. Münster Westf: Waxmann.
  • ---. 2011b. Taxonomie von Lernzielen - ein Fallbeispiel. In: Taxonomie von Unterrichtsmethoden: ein Plädoyer für didaktische Vielfalt, 35–54. Münster: Waxmann. Dieses Kapitel ist auch im Internet frei verfügbar und wird am Ende des Beitrags als Attachment zum Download angeboten.
  • Bloom, Benjamin; Engelhart, M.; Furst, E.; u. a. (Hrsg.) (1956): Taxonomy of Educational Objectives. The classification of Educational Goals, Handbook I: Cognitive Domain. 1st ed. New York: Longmans Green.
  • Harrow, Anita J. (1972): A Taxonomy of the Psychomotor Domain: A Guide for Developing Behavioral Objectives. Longman Group United Kingdom. — ISBN: 0679302123
  • Krathwohl, David R. (2002): „A Revision of Bloom’s Taxonomy: An Overview“. In: Theory Into Practice. 41 (4), S. 212–218, DOI: 10.1207/s15430421tip4104_2.
  • Krathwohl, David R.; Bloom, Benjamin S.; Masia, Bertram B. (1965): Taxonomy of Educational Objectives: Handbook II: The Affective Domain. Longman. — ISBN: 0582323878
  • Schulmeister, Rolf. 2001. Virtuelle Universität, virtuelles Lernen. München [u.a.: Oldenbourg.
  • ---. 2006. eLearning: Einsichten und Aussichten. München [u.a.]: Oldenbourg.

Anhang

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Von Peter Baumgartner

Seit mehr als 30 Jahren treiben mich die Themen eLearning/Blended Learning und (Hochschul)-Didaktik um. Als Universitätsprofessor hat sich dieses Interesse in 13 Bücher, knapp über 200 Artikel und 20 betreuten Dissertationen niedergeschlagen. Jetzt in der Pension beschäftige ich mich zunehmend auch mit Open Science und Data Science Education.

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