Breitbandinternet am Land – Auf dem Weg zum schnelleren Internet im ländlichen Raum: So hieß eine Veranstaltung im Gasthof SVETI in Karlstetten (bei St.Pölten/NÖ) bei der ich ein Referat mit dem Titel "Internet: Von der Information zur Kommunikation und Zusammenarbeit" gehalten habe. Ich war über die Einladung einerseits überrascht, weil solch eine Veranstaltung nicht zum üblichen Alltag einen Universitätsprofessors gehört und andererseits auch etwas verunsichert, weil ich nicht genau wusste was mich in Karlstetten erwarten wird. Rückblickend kann ich jedoch sagen, dass die Veranstaltung nicht nur extrem lehrreich war, sondern für mich auch – fernab von allen internationalen wissenschaftlichen Konferenzen – ein angenehmes Highlight meiner beruflichen Tätigkeit war.
Es waren nicht nur alle wichtigen Akteure waren aus der Region auf das Podium geladen, sondern auch im Publikum (ca. 80 Personen!) befanden sich eine Reihe von "Stakeholdern", wie z.B. der Abgeordnete zum Nationalrat Johann Höfinger, der Bürgermeister Gerhard Wendl der Nebengemeinde Obritzberg-Rust, Familie Winkler Schulbedarf, Direktor OSR Christian Mitterauer der Hauptschule Karlstetten mit Schwerpunkten von Informationstechnologie und Sprachen, Vertreter der Energieversorgung Niederösterreich (EVN) usw. usf. Moderiert wurde die Veranstaltung von Mag. Markus Wölfisch (59kB), MIM.
Impuls-Referate der Akteure
1. Bürgermeister Mag. Anton Fischer
Bürgermeister Mag. Anton Fischer eröffnete den Reigen der Kurzreferate indem er die Ausgangslage kurz darstellte: Für Karlstetten ist schnelles Internet sowohl für Wirtschaftsbetriebe als auch für die Anrainer sehr wichtig. Die Frage ist jedoch: Wer soll die Kosten übernehmen? Wie aus Google Maps ersichtlich ist, liegt die Marktgemeinde Karlstetten mitten im ländlichen Gebiet liegt. Obwohl die Landeshauptstadt St. Pölten bloß 8 km entfernt ist, sind die Kosten für Glasfaserkabeln nicht für die Gemeinde alleine zu tragen.
2. Mein eigenes Referat (Donau Universität Krems)
Das Thema zu meinem Referat wurde mir vom Organisator Dipl.Ing. Artur Riegler vom niederösterreichischen Bauernbund im Prinzip vorgegeben. Hinter der Veranstaltung stand der Arbeitskreis "Internet, Neue Medien, E-Commerce" des Forum Land – eine Initiative des niederösterreichischen Bauernbunds. Wir haben dann gemeinsam an der Formulierung des Titels gefeilt. Ich habe mein Referat mit dem Auftritt einer Vorgruppe verglichen, der das Publikum auf die eigentliche Veranstaltung einstimmen soll. In meinen Referat ging ich ganz allgemein auf die Potentiale des Internets ein und habe insbesondere die Möglichkeiten von Web 2.0 heraus gestrichen. Ganz bewusst habe ich viele internationale Beispiele präsentiert, damit die geopolitische Bedeutung des Internets für Bildung, Kommunikation und Kooperation deutlich wird.
3. Mag. Alois Schrems (Breitbandbüro BMVIT)
Herr Schrems vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) knüpft an meinem Vortrag an und stellt die Aufgaben und Initiativen des Breitbandbüros vor: Das Breitbandbüro
- ist die Koordinationsstelle zur Umsetzung der Breitbandstrategie
- die Anlaufstelle für Gemeinden, Regionen und Unternehmen
- berate auf Anfage und
- bietet allgemeine Unterstützung an
Ein Beispiel für die Unterstützungsleistung ist interaktive Breitbandatlas, der das zentrale Informationsmedium der Bundesregierung über die aktuelle Versorgungssituation in Österreich darstellt. Die Webseite zeigt an der gewählten Adresse oder am Standort die maximal mögliche Bandbreite im Festnetz oder die verfügbare Technologie im Mobilnetz.
Weiters finden sich auf den Seiten des Breitbandbüros auch ein Planungsleitfaden Breitband (9,3 MB), der als technische Verlegeanleitung zur Planung und Errichtung von Telekommunikations-Leerrohr Infrastrukturen dient. Er verweist auch auf die Webseite iktprojekte.at, auf der eine Zusammenstellung der begleitenden Pilotprojekte zu finden ist.
Auf die Frage ob jetzt die Breitband-Milliarde kommt – wie in den Zeitungen kolportiert wurde – schwächt Herr Schrems ab. Es gibt zwar Gespräche und Verhandlungen aber die stehen erst am Anfang.
Nach Schätzung der Europäischen Investmentbank (EIB) und der OECD – siehe auch Broadband access in the EU: An assessment of future economic benefits 1 – sind für einen nahezu flächendeckenden Ausbau der Glasfaser- und Breitbandinfrastruktur in Österreich mindestens € 5 Mrd. erforderlich. Als mögliches Investitionsszenario werden bis 2020 etwa € 2-3 Mrd. durch die Telekom-Industrie geschätzt. Aber weil solche Investitionen nur auf profitabler Basis von den Unternehmen durchgeführt werden, werden Kosten für die Endverbraucher so hoch sein, dass etwa 30% der Bevölkerung diese Dienste nur durch entsprechende Förderungen in Anspruch nehmen kann. Herr Schrems spricht daher auch von einer "Wirtschaftlichkeitslücke" und "Versagen des Marktes im ländlichen Gebiet" (Zahlen und Zitate aus seinem Foliensatz).
Die Frage, die Herr Schrems damit aufwirft lautet: Ist der Breitbandausbau eine wirtschaftliche Angelegenheit oder eine politische Aufgabe? Eine Frage, die der letzte Redner DI Dr. Brusic aufgreift und eindeutig als politische Aufgabe beantwortet (siehe unten).
4. Ing. Martin Almesberg (kabelplus GmbH)
Herr Almesberg stellt – in Vertretung de technischen Geschäftsführer Herrn Gerhard Haidvogel – die Firma kabelplus vor, die österreichischer Marktführer im Breitbandbereich und "Anbieter innovative Telekommunikationslösungen Fernsehen, Breitbandinternet und Telefonie aus einer Hand" ist.
Es folgen eine technische Hinweise, die in den Vorschlag münden, dass kabelplus mit einem neuartigen Funknetz, das relativ störungssicher ist, eine sehr rasche Lösung für Karlstetten anbieten könnte.
5. DI Dr. Igor Brusic (ecoplus, Breitbandkoordination des Landes NÖ)
Beim letzten Beitrag von Herrn Brusic wird deutlich, dass jemand mit starkem politischem Engagement spricht. Herr Brusic spricht frei ohne Folienunterstützung und greift vorige Fragen und Beiträge nicht nur auf, sondern erklärt auch Fachbegriffe, die bereits erwähnt wurden.
Seine wesentliche Aussage ist: Schnelles Internet ist kein technisches sondern ein Infrastrukturproblem. Dafür ist die öffentliche Hand (der Staat) zuständig, auch wenn dann die darauf laufenden Dienste durch private Firmen angeboten werden können und sollen. Die Grabungsarbeiten für die Glasfaserkabel bis zur Access Remote Unit (ARU) müssen vom Staat getragen und durch Steuergelder finanziert werden. Ähnlich wie bei der Autobahn kann diese Art von Infrastruktur nicht durch die einzelne Gemeinde oder den einzelnen Wirtschaftsbetrieb getragen werden. Die Dienste von der ARU ausgehend, sollen dann natürlich durch Private in Konkurrenz zueinander angeboten werden.
Die unmittelbaren Angebote von Firmen sind mit Vorsicht zu genießen: Einerseits weil sie nur kurzfristige Abhilfe schaffen, weil die Nachfrage nach Bandbreite exponentiell weiter steigen wird. Andererseits aber weil sie letztlich für die einzelnen NutzerInnen sehr teuer kommen, weil sie sich wirtschaftlich rechnen müssen. Dies wird vom Bürgermeister Gerhard Wendl von der Nachbargemeinde Obritzberg-Rust bestätigt und mit einem zusätzlichen Argument verstärkt: Wenn eine kurz- oder mittelfristige Lösung gewählt wird, dann besteht die Gefahr, dass viele Endverbraucher mit den dann gebotenen Leistungen (z.B. 16 MB download, 2MB upload) zufrieden sind. Wir verlieren dann aber Haushalte, die sich an den Kosten für die langfristige Lösung mit Glasfaserkabeln beteiligen. Wir brauchen aber – so Herr Wendl – mindestens 30% der Haushalte und alle Betriebe, um diese Maßnahmen zu finanzieren. – In der Diskussion unterstützen noch weitere Personen diesen Standpunkt, insbesondere auch der Abg. z. NR Johann Höfinger.
Auch wenn Herr Brusic keine Folien präsentiert hat, so habe ich im Internet einen aktuellen Foliensatz (Mai 2014) gefunden, der seine Position kurz und prägnant darstellt: Flächendeckende, leistbare und nachhaltige Breitbandversorgung in Niederösterreich (8,3 MB).
Breitband ist Infrastruktur
Anschließend gab es eine spannende Diskussion, woran sich viele männliche Besucher – es waren wirklich nur Männer, Breitband ist offensichtlich noch(?) eine maskuline Domäne – beteiligten. Das Fazit für mich war: Breitband ist keine technische, sondern eine politische Angelegenheit. Es geht darum, dass wir als Steuerzahler (d.h. der Staat) die entsprechenden Investitionen übernehmen. Nur so kann sicher gestellt werden, dass diese Investitionen auch dort getätigt werden, wo sie keinen unmittelbare kurzfristige finanzielle Amortisation mit sich bringen. Nur so bleibt gesichert, dass die Glasfaserkabeln nicht privatisiert werden und wir daher in der Infrastruktur nicht von Firmen abhängig werden, die dann beliebig über Preisen und/oder der (Nicht-)Sicherung der Nachhaltigkeit ihre Monopolstellung nutzen könnten.
Mehrmals wurde ua. kritisiert, dass die Post privatisiert wurde und jetzt als geeignetes zuständiges und kompetentes Unternehmen für eine staatlich beauftragte Breitbandinitiative fehlt. Es war für mich interessant zu hören, dass offensichtlich ein Umdenken zur Welle der Privatisierung der letzten Jahrzehnte stattfindet.
Mein Fazit daher: Eine hochspannende, interaktive und insgesamt sehr gelungene Veranstaltung.