Shigeru Miyagawa: OpenCourseWare (OER Seminar, 4)

Das ist der vierte Teil meines Berichtes über das Seminar "Open Educational Resources – Institutional Challenges", das an
der Universitat Obertate de Catalunya (UOC) vom 22.-24. November 2006 stattfand. Das Seminar wurde vom UNESCO Lehrstuhl für E-Learning organisiert (siehe auch Pressemeldung der UOC).

Das ist der vierte Teil meines Berichtes über das Seminar "Open Educational Resources - Institutional Challenges", das an der Universitat Obertate de Catalunya (UOC) vom 22.-24. November 2006 stattfand. Das Seminar wurde vom UNESCO Lehrstuhl für E-Learning organisiert.

Shigeru Miyagawa ist Linguistik-Professor am MIT und seit Anfang der OpenCourseWare Initiative an ihr beteiligt. Er erzählte die Geschickte der Initiative seit 1999 - als am MIT verschiedene Geschäftsmodelle diskutiert wurden. Es war die Zeit der "dot.coms". Das MIT wurde durch die Beraterfirma Hamilton in der Enwicklung eines eigenen Geschäftsmodelles unterstützt. In 6 Monaten wurden 5000 Fragebogen an Studierende und Faculty ausgesandt und bei einem Rücklauf von 10% ausgewertet, soweie 70 Fallstudien durchgeführt. Daraus wurden 10 unterschiedliche Geschäftsmodelle entwickelt.

Es war insbesondere für die Beraterfirma überraschend als klar wurde, dass ein kommerzielles Modell keine Mehrheit gewinnen kann. 4 Jahre zu investieren und dann immer noch einige Jahre Verluste zu schreiben und dann vielleicht (nur 5% erreichen diese Phase) Gewinne zu schreiben, war für die MIT kein Modell für den Bildungsbereich. In der Suche nach Alternativen entstand dann die OpenCourseWare Idee. Sie wurde unter anderem durch großzügige Förderungen durch die Mellon aber auch von der bereits schon mehrfach erwähnten Hewlett Foundation in diesem Ausmaß ermöglicht.

Content frei zur Verfügung stellen heißt auch große Summe zu investieren. Es müssen nämlich nicht nur das Repositorium aufgebaut, betrieben und der eigene Staff beraten werden; die hauptsächlichen Kosten entstehen durch das Screening und "Freikaufen" von Copyright geschützten Material. Innerhalb der eigenen Institution ist durch die in den USA übliche "Fair Use" Regelung die Verwendung von geschützten Material in geschlossenen Bildungssettings möglich. Wird dieses Material jedoch nun weltweit frei zu Verfügung gestellt, so müssen die Inhalte entsprechend "bereinigt" werden. Etwa ein 1/3 Drittel des gesamten Material konnte so erst nach Klärung mit den AutorInnen freigegeben werden. Die Summen, die dafür bezahlt werden mussten, waren eher marginal. Meistens verzichteten die Autoren auf Geld, wollten nur erwähnt bzw. verlinkt werden. Einiges Material (wie z.B. Szenen aus Hollywood-Filmen) konnten überhaupt nicht frei verfügbar gemacht werden. ("You can't clear Hollywood films!")

Content freischalten als Eigennutz

Das Material ist von sehr unterschiedlicher Qualität. Shigeru zeigte natürlich die Highlights, gab aber zu, dass bloß ein Syllabus und Lecture Notes (z.B. in Form von PowerPoint Dateien oder Worddokuments) verpflichtend sind. Die Beteiligung an OCW ist für die MIT Lehrenden freiwillig. Inzwischen beteiligen sich jedoch bereits 80%, so dass nun indirekt ein entsprechender Gruppendruck erzeugt wird. Aus einer Studie geht hervor, dass 40% die Initiative für ihre eigene Lehre sehr hilfreich finden, weil so leichter das Kursmaterial verwaltet und überarbeitet werden kann. 38% der Faculty verwenden den OCW-Website als Referenzwebsite für Studierendenberatung.

Das Freischalten von Inhalten bringt enorme Vorteile für das MIT:

  1. Es erhöht weltweit das Image des MIT.
  2. Es wird ein Communitystolz erzeugt, der insbesondere in der Bindung der Absolventen (Alumni) an das MIT sichtbar wird.
  3. Es unterstützt die Kooperation innerhalb der Hochschullehrenden.
  4. Es unterstützt die Bildungsmission, der das MIT verpflichtet ist.

Dazu kommen auch noch die Vorteile für das jeweilige Department:

  1. Die Materialien fungieren als Anschauungsmaterial für die Institute und deren Curricula (Showcase)
  2. Sie erleichtern dadurch das Werben um neue Studierende (Akquise)
  3. Neue Kompetenzen werden in der Faculty verbreitete (Personalentwicklung)

Aus einer Studie (Herbst 2005) geht hervor, dass bereits 35% aller StudienanfängerInnen (freshmen) sagen, dass OCW eine wesentliche Hilfe für ihre Entscheidung an das MIT zu gehen, war. (Interessanterweise kennen und nutzen nur 75% aller freshman überhaupt von der OCW-Initiative).

Weitere Pläne

Nach Shigeru kann die MIT Strategie in drei Phasen unterteilt werden:

  1. Ergreifen der Initiative und Entwicklung des OCW Modells
  2. Andere Institutionen ermuntern dieser Initiative beizutreten (siehe dazu das bereits recht große OpenCoursware Consortium, dem interessanterweise die Universität Klagenfurt als einzige deutschsprachige Universität angehört!)
  • Hier zeig Shigeru wie Studierende aus Übersee (z.B. aus Afrika) im Rahmen von Projekten mit einer Festplatte in ihr Heimatland reisen und dort die OCW-Inhalte an Schulen installieren.

 

  • Alle OCW-Initiativen zu einem einzigen riesigen Repositorium verbinden.

 

Es gibt natürlich dazu auch herbe Kritik: Ein  weltweite Verbreitung der MIT-Inhalte kommt einer kulturellen Kolonisation gleich. Shigeru kennt jedoch diese Argumente und zeigt in freundlicher Weise mit kompetenten akademischen Hintergrund (er ist ja Linguist!) warum diese Angst - seiner Meinung nach - unbegründet ist.


Nachtrag: Eine interessante Bemerkung für mich macht Shigeru, indem er drei "Schichten" von "Open Content" unterscheidet. Im innersten Kreis sieht er die OCW Inhalte (ganz spezifische auf das MIT bezogen), ein weiterer Kreis wird durch die Begriff "Open Educational Resources" (OER) gebildet, das sind allgemeine Bildungsmaterialien. Der äußerste und damit weitester Kreis ist "Open Content", das Inhalte, die nicht für Bildungszwecke geeignet sind, umfasst (z.B. YouTube, Flickr).

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