Hora Est – Marco Kalz promoviert an der Open Universiteit Nederland

Am Freitag, den 16. Oktober promovierte Marco Kalz – ehemaliger Assistent von mir an der FernUniversität in Hagen – über "Placement Support of Learner in Learning Networks". Es geht bei seinen Dissertation um den Einsatz von semantischen Technologien und natürlicher Sprachverarbeitung für Hilfestellungen beim Prozess der Anerkennung non-formalen Lernens. Obwohl die Inhalte seiner Dissertation für meine eigenen Arbeiten zu E-Portfolios äußerst relevant sind, hat mich die gesamte Prozedur der Promotion fast noch mehr beeindruckt als die inhaltlichen Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten.

Am Freitag, den 16. Oktober promovierte Marco Kalz – ehemaliger Assistent von mir an der FernUniversität in Hagen – über "Placement Support of Learner in Learning Networks". Es geht bei seinen Dissertation um den Einsatz von semantischen Technologien und natürlicher Sprachverarbeitung für Hilfestellungen beim Prozess der Anerkennung non-formalen Lernens. Obwohl die Inhalte seiner Dissertation für meine eigenen Arbeiten zu E-Portfolios äußerst relevant sind, hat mich die gesamte Prozedur der Promotion fast noch mehr beeindruckt als die inhaltlichen Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten.

Die Promotions-Prozedur griff nämlich auf eine uralte Traditionen zurück, die wir in Österreich und Deutschland nicht mehr haben. In den 60er-Jahren wurde bei Demonstrationen mit dem Spruch "Unter den Talaren steckt der Mief von 1000 Jahren" gegen die ungebrochene nationalsozialistische Tradition in Justiz und Universitäten protestiert. Diese Demonstrationen waren zwar bereits ab 1965 – also noch vor meiner Zeit – den Spruch gab es aber zu meinem Studienbeginn 1972 immer noch. (Siehe auch Arbeiter-Zeitung, bzw. ein historisches Bild solcher Proteste.)

Die Niederländer sind hier offensichtlich anders gestrickt: Schon bei der Ehrung von Theo Bastians – die übrigens im selben Hörsaal wie die Promotion von Marco Kalz stattfand – beeindruckte mich die Lockerheit mit der alte Traditionen aufgenommen und weitergeführt werden. Die Leute haben nicht nur Spass daran sondern würdigen mit der streng reglementierten feierlichen Prozedur die akademischen Leistungen.

Peinliche Verwechslung

Nicht nur jede Minute der Promotionsverteidigung war geplant, sondern auch wie jemand angesprochen werden musste und sogar wann die Kappe aufgesetzt oder wieder herunter genommen werde musste. Ungewohnt mit diesen Formalia hat mich diese Prozedur ganz schön unter Stress gebracht. Dazu kam noch, dass ich wegen einer Flugverspätung fast zu spät gekommen wäre: Bloß 5 Minuten vor der internen Vorbesprechung preschte ich in den Empfangssaal – nur um erst dann zu bemerken, dass ich das mir einige Tage vorher zugesandte "Protokoll" wohl doch eher hätte genauestens lesen hätte sollen. Peinlicherweise dachte ich nämlich, dass es sich beim "Protokoll" um die Zusammenfassung einer Sitzung des Promotionsausschusses gehandelt hat, der bloß die formale Zulassung von Marco Kalz beschlossen hat1. – Dabei war es das detaillierte und minitiös ausgeführte Script für den Ablauf der Verteidigungsprozedur zur Erlangung eines Doktorgrades. Als nicht Sitzungsprotokoll sondern Zeremonienprotokoll! – Ich gehe davon aus, dass ich da nichts Verbotenes mache, wenn ich zur Illustration meiner peinlichen Verwechslung, dieses Protokoll diesem Beitrag als Attachment beilege.

Zwei kleine Anekdoten noch zur Prozedur, bevor ich die Inhalte der Dissertation zusammenfasse:

  1. In der Vorbesprechung wurden die Fragen an den Kandidaten miteinander abgesprochen, damit doppelte Fragen vermieden werden. Es gab eine genaue Reihenfolge wer, wann mit seiner Frage an der Reihe ist. Insgesamt hatten wir jeder 2 Fragen vorbereitet. Bei der Verteidigung jedoch selbst wäre – bevor die Stunde komplett um war – es fast zu einer dritten Fragerunde gekommen. Der letzte Fragensteller Prof. Sloep hatte als auch die Aufgabe seine Frage etwas zu strecken, bis das erleichternde "Hora Est" des (einzigen) weiblichen Akteurs, des Pedells, uns alle erlöste.
  2. Während die Vorbesprechung langsam zu Ende ging, wunderte ich mich, dass immer noch zwei Prüfer nicht ihre Robe angezogen hatte. Während ich schon recht nervös mein Käpple ausprobierte, saßen die Doktoren Mofers und van Bruggen offensichtlich ganz ruhig und entspannt, bis es Punkt 16.00 Uhr wurde. Erst im Nachhinein wurde mir klar, dass die Roben nur ProfessorInnen tragen dürfen! Das war schon ein wenig eigenartig für mich, dass die Standesunterschiede so deutlich und sichtbar demonstriert werden.

APL Prozedure erleichtern

Ein wesentliches Ziel der Dissertation von Marco ist es, die mühsame, zeitaufwendige und daher kostenintensive Prozedur der Anerkennung von non-formalen und informellen Lernens zu erleichtern (sog. Accreditation of Prior Learning, APL). Das soll mittels eines halbautomatisierten Dienstes auf der Basis natürlicher Sprachverarbeitung erfolgen. Durch eine komplexes, aber bereits seit Jahren eingeführtes Verfahren der Latent Semantic Analysis (LSA) (siehe auch den engl. Einführungstext, PDF, 200 kB), soll die semantische Nähe eines Referenzdokuments mit den von den Studierenden produzierten Texten verglichen werden. Selbstverständlich funktioniert diese Methode, die Lernende entsprechend ihrer Qualifikationen positioniert, nur mit textbasierten Fertigkeiten. Das große – und mich persönlich besonders interessierende (siehe meine Habilitationsschrift) – Feld der nicht sprachlich repräsentierbaren Fertigkeiten, wird von dieser Analyse ausgenommen.

Die Dissertation ist sehr technisch gehalten, weil dafür zentrale LSA-Methode entsprechend kritisch diskutiert, hinterfragt und in ihren Ergebnissen unter verschiedenen experimentellen Testsituationen evaluiert werden musste. Die Forschungsarbeiten fanden in einem interdisziplinären Verbund statt, der auch weiterhin die dahinter stehenden Fragestellungen verfolgt. Marco hat einen Verlängerungsvertrag bekommen (Gratulation!) und wird – soweit ich das verstehe – über ein internetbasiertes Service weiterhin an dem so wichtigen Aufbau von Textcorpora arbeiten.

Der praktische Nutzen des im Aufbau befindlichen Semantic Weblog Monitoring Framework (swemof) ist für mich Laien derzeit noch nicht ersichtlich. Marco wird demnächst aber Beispiele für Exerpimentalsituationen veröffentlichen und ich darf mich dann als einer der ersten Betatester versuchen und Text meines Weblogs als Datenbasis einbringen <grin>. Bis dahin werde ich vielleicht Zeit finden um mit dem mir von Marco empfohlenen Buch von Jan Witten und Eibe Frank zu Data Mining mehr über die dahinter liegenden Verarbeitungsmethoden zu erfahren.

PS.: Ich gehe übrigens davon aus, dass die Dissertation demnächst als freie Ressource über einen Download zu beziehen sein wird. Nähere Angaben sollten sich in den nächsten Tagen auch auf meiner Website unter Dissertationen/Kalz-Marco finden.

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1 Der Text der E-Mail war – zu meiner Entschuldigung – in diesem Sinne
mehrdeutig: "I herewith send you a protocol on behalf of the promotion
from M. Kalz."

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