Das ist das Audioscript für den gleichlautenden Prezi-Vortrag.
Die nummerierten Absätze enthalten die Texte für die entsprechenden Folien meiner Vortrags zu Blended Learning
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01: In diesem Vortrag werde ich über einige grundlegende Konzepte von Blended Learning sprechen.
02: Der Vortrag gliedert sich in 4 Teile: Zuerst definiere ich den Begriff „Blended Learning“ und stelle Ihnen das Grundkonzept vor. Danach lade ich Sie ein, mit mir über das Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen der Didaktik nachzudenken. Das ist insofern wichtig, als nicht jede dieser Ebenen den gleichen Grundsätzen folgt. Im dritten Teil spreche ich über Kommunikationsstrukturen, die jedes Blended Learning Arrangements charakterisieren, um schließlich die unterschiedlichen Gestaltung der verschiedenen Mischungsverhältnisse detailliert zu beschreiben.
03: Teil 1: Was ist die Grundidee von Blended Learning, wie können wir es definieren?
04: „to blend“ ist Englisch und heißt soviel wie mischen, vermischen, vermengen, durchmischen oder auch verschneiden. Es wird darunter ein didaktische Modell verstanden, wo verschiedene Unterrichtsformen miteinander kombiniert werden. Dabei geht es aber nicht bloß darum, dass eine zusätzliche Lernform hinzugefügt wird, sondern, dass alle Formen miteinander zusammenspielen, dass sie miteinander integriert, zu einem Ganzen verschmelzt werden. Im Deutschen gibt es daher auch für „Blended Learning“ die Begriffe „vermischtes“ oder „integriertes“ Lernen, eine kurze Zeit war auch der Begriff des hybriden Lernens in Gebrauch. Aber all diese Bezeichnungen haben sich nicht durchgesetzt, deshalb werde auch ich im Weiteren den englischen Namen „Blended Learning“ verwenden.
05: Was wird denn nun da vermischt, verschnitten? Blended Learning bezieht sich auf die Integration von computer- oder besser technologie-unterstütztem Lernen und traditionellen Unterricht. Wesentlich bei dieser Gemengelage ist es, dass beim sog. traditionellen Unterricht sowohl Lernende als auch Lehrende an einem Ort zur selben Zeit körperlich anwesend sind, während bei den E-Learning Phasen die Menschen (also Lernende und Lehrende) disloziert sind, d.h. von verschiedenen Orten aus agieren. Das kann sowohl zu gleichen Zeit sein (dann sprechen wir von synchronen E-Learning) oder aber es wird zu individuell verschiedenen Zeiten gelernt (dann sprechen wir von asynchronem E-Learning). Beispiele für synchrones Lernen sind Chat und Videokonferenzen, Beispiele für asynchrones Lernen sind eMail, Forum und Interaktion über eine Lernplattform.
Wenn wir uns im Folgenden verschiedene Blended Learning Arrangements näher anschauen, dann darf nicht vergessen, dass es schon immer – also natürlich auch bevor E-Learning und damit Blended Learning in Mode kam – das Selbststudium eine weitere wesentliche Lernform darstellt. Wenn wir manchmal z.B. von 100% Präsenzunterricht sprechen, so ist das eigentlich nicht richtig, denn Selbststudium gab es immer, es war schon immer ein wichtiger – wenn nicht sogar der wichtigste – Bestandteil des Lernprozesses. Das Motto „Lern mich“ funktioniert nicht. Lernen – in welcher Form auch immer – erfordert eine individuelle persönliche Anstrengung, die nicht stellvertretend von Lehrpersonen oder irgendwelchen E-Learning Arrangements übernommen werden kann. Mit Blended Learning kommen nun diese Phasen des Selbststudiums viel stärker in den Fokus als dies beim traditionellen Unterricht bisher der Fall war. Der Grund liegt darin, dass nun durch die drei Teile deutlich geworden ist, dass es auf die Integration, dem harmonischen Verschnitt der verschiedenen Teile ankommt.
06: Die soeben besprochenen Phasen liegen zeitlich auseinander, sie sind ein Vorher oder Nachher, aber nie ein Zugleich. Sie sind quasi die horizontale Struktur von Blended Learning.
07: Ich wende mich nun den verschiedenen didaktischen Gestaltungsebenen zu. Alle Ebenen, die wir nun besprechen werden, finden immer gleichzeitig statt. Gestaltungsebenen sind damit ganz generell die vertikale Struktur es Lernprozesses.
08: Wir schauen uns diese Struktur nun unter dem Blickwinkel von Blended Learning näher an.
09: Wenn ich gesagt habe, dass alle Gestaltungsebenen gleichzeitig wirken, dann heißt das nicht, dass sie denselben Zeithorizont haben. Gerade mit der jeweils betrachteten Größe der Zeiteinheit werden die Grenzen für die unterschiedlichen Gestaltungsebenen definiert.
- Auf der Mikroebene gestalten wir didaktische Interaktionen, das sind Handlungen, die nur ein einige Sekunden, höchstens ein paar Minuten dauern. Also z.B. eine Frage stellen, eine Antwort bekommen, eine E-Mail öffnen, eine E-Mail lesen, einen Forum-Beitrag schreiben, einen Like-Button drücken etc. Wir sind uns der jeweiligen didaktischen Gestaltung bzw. des didaktischen Designs dieser kurzeitigen Handlungen oft nicht bewußt. Sie erscheinen uns natürlich und sind meist unterhalb der didaktischen Wahrnehmbarkeitsschwelle angesiedelt. Interface-DesignerInnen hingegen sind sich des kritischen Charakters dieser Mikrohandlungen durchaus bewußt und müssen solche Situationen daher gewissenhaft planen und gestalten.
- Die Meso-Ebene ist zweigeteilt.
- Hier haben wir es einerseits mit didaktischen Szenarien zu tun, die im Bereich von einigen Minuten bis zu max. 1-2 Stunden dauern. Darunter fallen all die didaktischen Szenen, die wir ganz bewußt zur Unterstützung des Lernprozess planen: Vortrag, Gruppendiskussion, Einzelarbeit, Flüster-Gruppen, Fish-Pool, etc. Es gibt für den traditionellen Unterricht (d.h. dem Präsenzunterricht) eine umfangreiche pädagogische Werkzeugkiste aus der wir schöpfen können. Diese Methodenvielfalt gibt es auch für E-Learning, auch wenn da diese Lernarrangements nicht weit weniger bekannt sind.
- Der zweite Teil der Meso-Ebene wird durch den didaktischen Block gebildet. Darunter verstehe ich den inhaltlichen, d.h. stofflichen Zusammenhang und Abschluss eines Lernsegments. So könnte z.B. die inhaltliche Einheit: Wie funktioniert ein Blog? aufgeteilt werden: Was ist ein Blog? Welche Funktionen kennzeichnen es? Wie wird ein Blogbeitrag geschrieben, wie gepostet? Welche Blog-Systeme sind dzt. populär?
- Auf der Makroebene schließlich haben wir die Lehrstoffverteilung, die durch Lehrpläne bzw. Currciulua zu vermitteln sind. Hier wird nun im Vergleich zu den anderen Ebenen besonders deutlich: Jede dieser Ebenen hat seine eigene Gesetzmäßigkeit und sind daher unterschiedlich zu behandeln. Es ist ein häufiger Fehler bloß von Didaktik zu reden, ohne dass überlegt wird, auf welcher Ebene die geplante didaktische Gestaltung Bezug nehmen soll.
- Ich habe auch noch die Politik angeführt um deutlich zu machen, dass das hierarchische System der Gestaltungsebenen noch weiter geht, auch wenn nicht alle Bereiche unmittelbar zur Didaktik gehören, haben sie doch beträchtlichen Einfluss auf die Möglichkeiten und Einschränkungen, denen die didaktische Gestaltung unterliegt.
10: Zentral für die eigentliche didaktische Gestaltung ist der Meso-Bereich: Hier gilt es die adäquaten Unterrichtsmethoden einzusetzen, damit wir den didaktischen Mehrwert der jeweiligen Lehrmethode für das verfolgte Lernziel bestmöglich nutzen können. Es geht hier um das Design einer optimalen inhaltlichen, zeitlichen, räumlichen, technischen und sozialen Struktur.
11: Ich habe für die Darstellung der hierarchischen Beziehungen der didaktischen Gestaltungsebene absichtlich nicht das Modell der Pyramide herangezogen, sondern eine Art Zwiebelform. Ich wollte damit ausdrücken, dass die höhere Ebene nicht nur bloß oben auf liegt, sondern auch alle unteren Ebenen einschließt. Wie bei einer Zwiebel umschließen die äußeren Schalen der Didaktik die inneren Schalen, auf die sie aufbauen. Die Puzzle-Teile der unteren Ebenen werden zu größeren Einheiten zusammengebaut, um schließlich die höheren Ebene zu bilden.
12: Ich komme nun auf ein wichtiges philosophisches Konzept zu sprechen. Die Rede ist von Emergenz, worunter das Auftauchen von neuen Erscheinungen verstanden wird. Obwohl diese neue Erscheinungen mit bekannten Bausteinen erstellt werden, zeigen sie ein Verhalten, dass keine ihrer Bausteine in derselben Art und Weise verkörpert. Das liegt daran, dass die Summe eben mehr ist als ihre Teile und zwar deshalb, weil die Teile durch eine bestimmte Organisationsform oder Struktur miteinander verbunden sind. Diese Struktur ist aber gerade nicht Teil der einzelnen Bausteine.
13: Emergenz oder emergentes Verhalten können wir überall in der Natur beobachten. Aus dem Verhalten einzelner Menschen können wir nicht ohne Umschweife und Irrtümer auf die Entwicklung der Gesellschaft schließen. Das Molekül H20 wird aus den Bausteinen Wasserstoff und Sauerstoff gebildet. Keines der beiden Moleküle besitzt aber die Eigenschaft flüssig zu sein. Wir können die Eigenschaft „flüssig“ nicht den einzelnen Bestandteilen zuschreiben, sondern nur ihrer ganz spezifischen Konstellation. Flüssig zu sein ist daher eine emergente Eigenschaft der Wasser- und Sauerstoffmolkeüle. Diese Grundsätze über die Philosophischen wie Michael Polanyi oder Nikolaus Hartmann nachgedacht haben, sind auch für die didaktische Gestaltung relevant.
14: Aus didaktischen Interaktionen formen wir didaktischen Szenarien, aus didaktischen Szenarien arrangieren wir inhaltlichen Blocks. Die höhere Ebene besteht zwar aus den Bausteinen der unteren Ebene zeigt aber ein neues, eben emergentes Verhalten. Ein „Brainstorming“ ist nicht dasselbe wie eine Sammlung verschiedener Zu- oder Ausrufe. Durch seine innere Struktur (dh. Den Regeln, wie Brainstorming abzulaufen hat) werden diese Ausrufe in einer ganz bestimmten Weise zusammengebunden. Erst damit entstehen die für Brainstorming charakteristischen kreativen Ideen.
15: Wenn wir die bisherige Überlegungen zu Gestaltungsebenen zusammenfassen, so können wir sagen: Erstens: Anspruchsvollere Lernziele erfordern mehr Lernzeit, und sind daher auf einer höheren didaktischen Ebene angesiedelt. Es gilt die unteren Ebenen so zu gestalten, dass didaktischer Mehrwert ihrer Bauteile emergentes Verhalten hervorbringt, dass der Zielerreichung dient. Zweitens: Die kritische Ebene der didaktischen Gestaltung ist die Meso-Ebene der didaktischen Szenarien und inhaltlichen Blöcke. Hier besteht seitens der Lehrpersonen und Lernenden meistens das größte Gestaltungspotential in inhaltlicher, zeitlicher, räumlicher, technischer und sozialer Hinsicht. Und drittens: Leider sind bildungstechnologische Werkzeuge bezüglich dieses Zusammenspiels zur Zielerreichung der einzelnen Bausteine ausgereift. Es fehlt immer noch an Schnittstellen, im Übergang von einem Werkzeug zu einem anderen Werkzeug gibt es Bruchstellen (sog. Medienbrüche), die den Lernprozess abträglich sind. Beispiele dafür sind, dass die Ergebnisse (z.b. Daten) von einem Werkzeug nicht problemlos als Ausgangspunkt für ein anderes Werkzeug dienen können. Wir sprechen dann von Inkompabilität.
16: Damit beende ich die Überlegungen zu den didaktischen Gestaltungsebenen.
17: und widme mich nun dem nächsten Abschnitt:
18: Unter welchen Strukturen findet die Kommunikation in den Lernprozessen statt
19: Jeder – ich betone – jeder Lernprozess erfordert Kommunikation – und wenn es bloß die Kommunikation von mir mit einem Buch ist. Das mag vielleicht eigenartig klingen, auch auch eine Buch lesen ist eine Kommunikation: Die AutorInnen, die das Buch geschrieben haben, teilen wir etwas mit. Und – je nachdem wie ich das Buch lese (aufmerksam oder flüchtig) – höre ich gut zu oder lasse das Gerede an mir vorbei rauschen.
20: Eine der wichtigsten Kommunikationstheorien baut auf der Sprechakt (oder Spechact) Theorie auf. Dabei wird davon ausgegangen, dass eine sprachliche Äußerung eine Handlung darstellt. Das wird besonders in solchen Sätzen, wie „Ich eröffne nun hiermit die Sitzung“ oder „Die 23. Olympischen Winterspiele sind damit beendet“. Für das weitere Verständnis ist es wichtig zu betonen, dass ein Sprechakt nicht unbedingt eine linguistische Äußerung sein muss. Der Pfiff des Schiedsrichters bei einem Fußballspiel ist genauso ein Sprechakt, wie wenn Sie jetzt mit dem Zuhören zu diesem Vortrag weitermachen.
In allen diesen Fällen treffen Sie eine Aussage und nehmen gleichzeitig nämlich eine Stellung bzw. Haltung zur Welt ein. Jeder Sprechakt hat daher immer zwei Komponenten. Den Inhalt (oder der proportionale Gehalt) und die Haltung (die illokutionäre Rolle) dazu. Jeder Inhalt des Sprechaktes (z.B. der Pfiff des Schiedsrichters, die Aussage, die Sie vortragen etc.) ist mit einer Haltung verbunden, auch wenn das nicht immer offensichtlich ist. Sie tragen die Aussage deswegen so vehement vor, weil Sie davon überzeugt sind, der Schiedsrichter pfeift ab, weil er einen Regelverstoß gesehen hat bzw. zu sehen geglaubt hat. So wie Sie manchmal eines Besseren belehrt werden, kann auch der Schiedsrichter (z.B. durch den neu eingeführten Videobeweis) erkennen, dass er sich geirrt hat.
Sie behaupten etwas, weil Sie sich diesen Sachverhalt um den es geht, sicher sind. Es macht einen Unterschied aus, ob ich weiß, dass die Evolutionstheorie nach Charles Darwin richtig ist, ob ich es bloß vermute oder ob ich diese Aussage bestreite. Immer ist es der gleiche propositionale Gehalt „Die Evolutionstheorie von Charles Darwin ist korrekt.“ Einmal bin ich mir sicher es zu wissen, ein anderes Mal glaube ich es bloß und ein drittes Mal bestreite ich es vehement. Damit werden verschiedene Haltungen (illokutionäre Rollen) zu demselben Inhalt eingenommen.
21: Jürgen Habermas hat in seinem epochalen Werk „Die Theorie des kommunikativen Handelns“ die ursprüngliche von Austin und Searle stammende Sprechakt-Theorie um einen wichtigen Aspekt erweitert: Jede kommunikative Handlung (d.h. jeder Sprechakt) hat immer gleichzeitig drei illokutionäre Rollen, also Haltungen, wie die Sprechenden sich auf diese, unsere Welt, beziehen.
22: Diese Haltungen nennt Habermas Weltbezüge und die Art und Weise, wie wir diese Weltbezug vertreten, einen Geltungsanspruch.
23: Ein Geltungsanspruch ist nicht mit dem Konzept der Wahrheit gleichzusetzen. Wahrheit ist nur einer der drei Optionen, der gleichzeitig stattfindenden Haltungen zur Welt. Sie bezeichnet die Übereinstimmung unserer Proposition mit der Außenwelt. Darüber hinaus gibt es aber auch den subjektiven Weltbezug (bin ich aufrichtig? Ist meine Aussage wahrhaftig?) und den sozialen Geltungsanspruch (ist es legitim, normativ richtig?). Geltungsansprüche sind bloß Ansprüche darauf, dass etwas Geltung hat. Es kann von anderen Diskursteilnehmenden widersprochen, kritisiert werden. Und zwar immer in allen drei Ausprägungen: objektiv, subjektiv und sozial.
Lassen Sie mich diesen doch etwas komplexen Sachverhalt mit einem Beispiel illustrieren. Meinen Sprechakt „Um die vorangehenden Aussagen besser verstehen zu können, empfehle ich Ihnen ein Glas Rotwein zu trinken! “ können Sie in genau dreifacher Weise hinterfragen bzw. kritisieren: „Hej, was soll Rotwein mit einem besseren Verständnis zu tun haben?“ Damit bestreiten Sie meinen objektiven Geltungsanspruch, die Wahrheit meiner Aussage. Sie könnten aber auch sagen: „Hej, das gehört sich nicht, während eines weiterbildenden Vortrags ein Glas Rotwein zu empfehlen!“ Damit bestreiten Sie die Legitimität meiner Aussage, weil Sie der Auffassung sind, dass ich damit gewisse Anstandsnormen verletze. Oder aber Sie sagen sich: „Hey, was will er? Will er mich betrunken machen, damit ich seine Aussagen nicht kritisch hinterfragen kann?“ Damit bestreiten Sie meine Aufrichtigkeit, unterstellen mir, dass ich nicht aufrichtig bin und eigentlich ein ganz anderes Motiv verfolge, als ich vorgebe. Sie sehen also: Jeder Sprechakt, so trivial er auch klingen mag, kann gleichzeitig in dreifacher Weise zur Diskussion gestellt werden.
24: Diese dreifachen Geltungsansprüche im kommunikativen Handeln haben einen direkten Bezug zum didaktischen Handeln, das ja ebenfalls eine Kommunikation darstellt:
25: Die objektiven Geltungsansprüche beziehen sich auf den Inhalt, das Lernmaterial; die sozialen Geltungsansprüche, auf die soziale Situation: Hören Sie den Vortrag alleine? In Gruppe? Als Podcast beim Autofahren oder vor Ihrem Computer im Zimmer? Machen Sie sich Notizen, um bestimmte Aussagen besser diskutieren können oder „ziehen“ Sie sich den Vortrag mehrmals rein, damit Sie für die Prüfung gut gewappnet sind? Jedesmal unterstellen wir eine andere soziale Situation zu der dieser Vortrag mehr oder weniger passend ist. Und schließlich können Sie meinen Vortrag auch als persönliche Weiterentwicklung, d.h. als subjektive Erweiterung Ihres Selbst ansehen oder aber auch mir unterstellen, dass ich den Vortrag nur deshalb aufzeichne, damit ich mir später Arbeit erspare, oder berühmt werden will. Didaktisches Handeln hat – wie kommunikatives Handeln – immer die drei Komponenten (objektiv, subjektiv und sozial) in sich integriert
26: Wir können diese dreifachen Weltbezüge bzw. Geltungsansprüche auch bezüglich des medien-unterstütztem Lernen abstrahieren:
27: Darstellende Medien, wie z.B. diese Audio-Präsentation, haben einen objekthaften Charakter. Sie sehen mich als Person nicht; Ihnen tritt meine Meinung in Form objektivierender Materialien gegenüber. Das ist weit schwieriger zu kritisieren als wenn wir eine gemeinsame Diskussion führen. Bücher z.B. umgeben sich mit einer Aura der sachlichen scheinbaren neutralen Autorität. Die Art und Weise wie medienunterstütztes Lernen stattfindet, prägt die soziale Lernsituation. In diesem Fall steht individuelles Lernen und nicht kooperatives Lernen im Vordergrund. Und schließlich ist zu fragen, inwieweit Sie als lernendes Subjekt in das medien-unterstützte Lernen involviert sind. Hören Sie nur aktiv zu oder gibt es Aufgaben, die Sie lösen müssen (alleine oder in Kooperation mit anderen).
Dieses letzte Beispiel zeigt eine weitere interessante Konsequent des dreifachen Weltbezüge: Jede der genannten Möglichkeiten gliedert sich wieder in dreifacher Weise auf (z.B die letzte Aussage: Aufgaben = Material = objektiv, Kooperation = Gruppe = sozial, Beschäftigung mit den vorgegebenen Aufgaben = persönliche, individuelle Auseinandersetzung = subjektiv).
28: Doch was haben all diese Überlegungen mit Blended Learning zu tun? Nun: Jedem Lernarrangement wohnt eine bestimmte Kommunikationsstruktur inne: Geht es um Transfer von Wissen (Lernen I), so gibt es eine recht einseitige kommunikative Struktur, in diesem Vortrag von mir zu Ihnen. Auch wenn meine Aussagen mediatisiert d.h. vertont und mit Folien visualisiert sind, sind Sie und ich die Endpunkte der Kommunikation, die in Form einer Einbahnstraße stattfindet: Von mir zu Ihnen. Wir könnten aber auch chatten oder in einem Skype-Gespräch miteinander diskutieren (das wäre Lernen II), das wäre dann eine andere Form der Mediatisierung und des Blende-Learning Arrangements. Oder aber wir nutzen gemeinsam Werkzeuge (z.B. ein gemeinsames Website, wo wir beide Zugang dazu haben) und kooperieren darüber (Lernen III), was wiederum eine andere Form des Settings für Blended Learning mit anderen Kommunikationsstrukturen darstellt. (Anmerkung: Die Begriffe Lernen I, II und III habe ich in meinem Vortrag zur Einführung in die Bildungstechnologie erklärt.)
Der nachfolgende 4 ½ minütige Video zeigt, wie das Internet unsere Kommunikationsformen verändert hat:
29: Video: The machine is (using) us
30: Im Video haben wir gesehen, dass Inhalt und Form getrennt werden, was der Entwicklung von HTML zu XML entspricht. In der soeben besprochenen Kommunikation entspricht der Inhalt dem präpositionalen Gehalt und die Form der illokutionären Rolle. Wir können denselben Inhalt als authoritativen Text darstellen, oder aber auch als FAQ oder Diskussionsbeitrag präsentieren. Wir können diesen Text unterschiedlich kategorisieren oder taggen und damit dergleichen Information unterschiedliche Geltungsansprüche verleihen. Auf der technischen Seite sehen wir mit dem Internet diese Trennung zwischen Inhalt (also propositionalem Gehalt) und Geltungsanspruch (also illokutionären Rolle) sehr deutlich. Ich spreche hier von Web 1.0. Auf der darstellenden Seite verschwimmt dies jedoch und es erscheint uns, als ob nur der Inhalt gelte, vorhanden ist. Mit Web 2.0 tritt jedoch der proportionale Gehalt in den Hintergrund (smiley, likes retweeten etc.) sind keine neue inhaltlichen Aussagen, sondern betonen meine Haltung zum vorliegenden Inhalt oder Content. (Darüber aber später – in einem anderen Vortrag – mehr.)
31: Ich schließe damit das Kapitel über die Kommunikationsstrukturen ab
32: und wende mich nun dem letzten Teil dieses Vortrags zu:
33: Den sogenannten Mischungsverhältnissen von Blended Learning Arrangements:
34: Die Wahl eines geeignetes Mischungsverhältnisses ist ein für die Praxis äußerst wichtiger Gestaltungsparameter von Blended Learning Settings.
35: Ich habe auf dieser Folie verschiedene Mischungsverhältnisse prototypisch angeführt. Dazu habe ich die gesamte Lernzeit auf die drei grundsätzlichen Phasen (Präsenz-, Online- und Selbstlern-Phase) aufgeteilt und den jeweiligen Mischungsverhältnissen einen Namen gegeben. Das reicht von reinem Präsenzunterricht bis hin zu reinem Korrespondenz-Fernstudium. Bezeichnend ist, dass zwar Präsenz- oder Online-Phasen 0% den Extremwert von 0% annehmen können, niemals aber die Selbstlernphase!
Die Wahl des geeigneten Mischungsverhältnisses hängt von mehreren Faktoren ab:
- Da ist einmal die Struktur des zu lernenden Inhalts: handelt es sich um kooperatives Handelns (z.B. Training von Führungskräften, Training von Classroom-Management für Lehrpersonen, psychotherapeutische Betreuung etc.) dann sind online-Phasen eher sehr gering gehalten, weil die aktuelle, körperliche Präsenz dabei wichtig ist. Sicherlich kann durch Videos aufgenommenes Verhalten online diskutiert werden, aber selbst da steht die einmal stattgefunden Präsenz-Performanz im Mittelpunkt. Wenn es sich hingegen um technische Kompetenzen handelt, die ohnehin den Computer nutzen, dann können viele Aktivitäten online durchgeführt und betreut werden.
- Weiters wird das gewählte Mischungsverhältnis auch vom bevorzugten Lernmodell ab: Geht es in erster Linie um Transferwissen (also Lernen I), kann vieles online vermittelt werden, detto auch noch bei Lernen II. Lernen III hingegen erfordert die konkrete, praktische Aktion und die kann – mit der bereits erwähnten Ausnahme der Computernutzung – nicht online stattfinden.
- Andere Faktoren wie die Lebenssituation der Zielgruppe, also der anvisierten TeilnehmerInnen spielen ebenfalls eine Rolle: Ist es einfach die Lernenden zu gleichen Zeit zusammenzufassen (SchülerInnen, MitarbeiterInnen einer Firmenabteilung), dann können die Präsenzphasen großzügiger geplant werden, sollen hingegen Reisekosten gespart werden oder selbstgesteuertes Lernen im Vordergrund stehen, dann wird wohl die Online-Phasen einen relativ größeren Teil ausmachen.
36: Sehen wir uns nun die Planung eines einzelnen Moduls (= inhaltlichen Blocks) genauer an: Wir gehen derzeit in der EU meistens davon aus, dass wir die Lernstunden der Studierenden kalkulieren. Wir nehmen dazu einen Durchschnittswert her, d.h. es wird Studierende geben, die mehr Lernzeit benötigen, aber auch Studierende, die auf Grund ihrer Vorerfahrung, weniger Lernzeit benötigen. Die Kalkulation dieser Lernzeiten muss den Studierenden mitgeteilt werden, damit sie ihr Lernverhalten darauf ausrichten können. Und Lernenden tun gut daran, wenn sie sich danach richten. Wenn z.b. in einem 3 ECTS-Modul mit 75 Stunden Lernzeit 10 Stunden für eine Diskussion im Forum kalkuliert werden, dann dürfen Studierende nicht enttäuscht sein, wenn sie 100 Stunden dafür verwenden aber trotzdem noch weitere Aufgaben mit etwa 65 Stunden Lernzeit bekommen. In diesem Sinne gibt es zwar einen kalkulatorischen Rahmen, die Lernenden sind jedoch in dessen Umsetzung selbstverantwortlich. (Anmerkung: ECTS meint hier die Abkürzung „European Credit Transfer System“, mit der die Aus- und Weiterbildung im Tertiärsektor, also Hochschulen, kalkuliert wird. In der beruflichen Aus- und Weiterbildung sprechen wir von ECVET, was die Abkürzung für European Creditsystem for Vocational Education & Training darstellt.
Zu den Lernzeiten zählen alle Zeiten, die einen Bezug zum Lernprozess haben: Also das Lesen eines Textes genauso, wie die Anwesenheit bei einer Veranstaltung, die Vorbereitung für die Prüfung genauso, wie auch die durchgeführte Prüfung selbst.
Ein wichtiger Aspekt dieses stundenmäßigen Verrechnungsmodells im Zusammenhang mit Blended Learning ist es nun, dass die Lernzeit nicht identisch mit der physikalischen Zeit zu verstehen ist. Niemand lernt z.B. 75 Stunden durchgehend, d.h. die Lernstunden eines Moduls sind auf einen längeren physikalischen Zeitraum aufgeteilt, z.B. 4 Monate. D.h. die Studierenden müssen in diesen 4 Monaten ihre Lernzeit (beispielsweise 75 Stunden bei einem 3 ECTS-Modul) erbringen. Damit es nun möglich geworden, individuelle Planung und Selbststeuerung zuzulassen. Nur zu den Präsenzzeiten müssen alle Lernenden zur selben Zeit versammelt sein.
Wir können nun – je nachdem Mischungsverhältnis – die sowohl Aufteilung als auch Zeitpunkt der verschiedenen Phasen (Präsenz-, Online oder Selbststudium) im Rahmen der physikalisch zur Verfügung stehenden Zeitspanne (bei unserem Beispiel 4 Monate) vornehmen.
Bevor ich darauf näher eingehe, jedoch noch eine kritische Randbemerkung: Diese stundenmäßige Verrechnung der Lernzeit ist nicht unumstritten: Erstens sagen die aufgebrachten Lernstunden nichts über das Niveau, d.h. dem qualitativen Gehalt der Lernzeiten aus. Zweitens jedoch wird dieses Modell auch als schematische „Sitzzeit“ kritisiert, deren Zeiten unabhängig von tatsächlich nachgewiesenen Kompetenzen sind. Demgegenüber setzt sich immer stärker eine Auffassung durch, die von einer kompetenzbasierten Bildungsmodell ausgeht: Danach ist es egal wie lange oder von woher sich jemand seine Kompetenzen aneignet; es zählt einzig und allein der Nachweis der jeweiligen Kompetenz. So braucht z.B. jemand mit einer langjährigen Berufserfahrung in doppelter Buchführung nicht mehr den einführenden Buchhaltungskurs besuchen, sondern kann ihn mit einer positiv abgelegten Prüfung umgehen. Leider sind aber bisher die meisten Ausbildungspläne noch nicht auf das kompetenzbasierte System umgestellt. Eine positive und bekannte Ausnahme ist die Western Governors University wgu Punkt edu.
37: Auf dieser Folie sind einige prototypische Verteilungsmodelle dargestellt: Es handelt sich immer um dieselben Modulgrößen bzw. Lernzeiten. Wir sehen hier, dass die Präsenzzeiten ganz unterschiedlich aufgeteilt werden können. Bei einem einführend Vortrag zur verwendeten Lernplattform, wird wahrscheinlich das gemeinsame Kennenlernen dieser Plattform am Anfang des Kurses in Form eines gemeinsamen Präsenzunterrichts stehen. Bei weiteren Modulen gibt es dann meistens Präsenzzeiten, die von Vor- und Nachbereitungsarbeiten umrahmt sind. Wichtig ist es hier zu betonen, dass sowohl die Online-Phasen als auch die Zeiten des Selbststudiums über die Plattform, d.h. über das Internet betreut werden.
Für die Planung von Blended-Learning Arrangements ist es wichtig zu verstehen, dass bei Blended Learning nicht bloß Online-Phasen hinzugefügt werden und sonst alles (also bei den Präsenz- und Selbstlernphasen) gleich bleibt. So ändert sich z.b. die Präsenzpahse dadurch, dass die Informationen, die bereits Online vermittelt werden (wie z.B. dieser Audiovortrag) nicht nochmals in der Präsenzphase (z.B. in einem Vortrag) wiederholt werden dürfen. Das wäre redundant und würde den didaktischen Mehrwert von Blended Learning nicht nutzen. Gerade weil viele Informationen bereits im Vorfeld vermittelt wurden, können sich Präsenzzeiten auf Gruppenarbeiten, auf Kooperation und/oder direkt auf die noch offen Fragen gebliebenen Fragen konzentrieren.
38: Neben inhaltlicher Struktur, Lernmodell und anvisierter Zielgruppe gibt es mit dem angepeiltem Lernziel noch einen weiteren Aspekt, der das Mischungsverhältnis wesentlich beeinflusst: Je nachdem, ob der Modul bloß zur ersten Orientierung gedacht ist, wo es gilt einige grundsätzliche Begriffe zu vermitteln, oder aber als Modul zur Vertiefung von praktischen Kompetenzen geplant ist (z.B. indem ein Projekt durchgeführt wird) sind wohl unterschiedliche Mischungsverhältnisses zu wählen.
Diese Folie zeigt aber auch, dass die Inhalte der vor- und nachgelagerten Phasen sich - je nach gewähltem Lernziel – sich inhaltlich grundlegend voneinander unterscheiden.
39: In dieser Folie sind diese unterschiedlichen Phasen auf das Lernziel in der Anderson-Kratwohl-Taxonomie (abgekürzt AKT) bezogen. Dabei ist zusätzlich zu beachten, dass dies nur Beispiele sind, d..h. jedes Lernziel der Anderson-Kratwohl-Taxonomie kann auch mit anderen Mischungsverhältnissen und anders inhaltliche gefüllten Phasen erreicht werden. Damit dies möglichst adäquat, effizient und motivierend statt findet, müssen Theorie und Praxis der hohen Schule des didaktischen Designs berücksichtigt und entsprechend umgesetzt werden.
40: Zum Abschluss bringe ich noch zwei Screenshots, wie die Kalkulation der verschiedenen Anteile den Studierenden über die Plattform präsentiert werden kann. In diesem ersten Beispiel sehen Sie einen Überblick zu einem Modul…
41: In diesem Beispiel hingegen sehen Sie eine Darstellung der kalkulierten Lernstunden, der sogenannten Workload.
42: Damit schließe ich nicht nur diesen Teil mit den Mischungsverhältnissen ab,
43: sondern beende auch diesen Vortrag über die Gestaltung von Blended-Learning Arrangements.