Belohnung ist noch keine Gamification ! Das ist eine erste Schlussfolgerung aus meinem Gamification-Experiment, das ich in meinem erster WordPress Online-Kurs zur Akteurs-Netzwerk-Theorie durchgeführt habe. Mit der Vergabe von Quiz-Punkten, Levels und Badges habe ich zum ersten Mal versucht Gamification-Aspekte in ein didaktisches Konzept einzubauen. Feedback hat mir jedoch gezeigt, dass ich ein falsches Verständnis von Gamification hatte und einen tiefer gehenden Reflexionsprozess bei mir angestoßen.
Belohnung ist noch keine Gamification
Sehr bald nach der Veröffentlichung ANT-Kurses wurde im Forum zum Beitrag, der den Kurs ankündigt, eine kritische Rückmeldung gepostet:
Sehr geehrter Herr Baumgartner,
der Kurs hört sich sehr interessant an. Aber bitte bezeichnen Sie die Vergabe von Punkten und Badges nicht als Gamification. Ein simples Belohnungssystem ist nicht Gamification.http://www.slideshare.net/romrack/top5-gamification-fallacies
Durch dieses Posting aufgescheucht, habe ich mal kurzerhand die entsprechenden Passagen meiner Ankündigung von Gamification zu Belohungssystem geändert und mit dem Autor des Postings Kontakt aufgenommen. Gleichzeitig habe ich mir ein Buch zu Gamification angeschafft, um mich in die – bisher von mir vernachlässigte – Thematik einzulesen. 1. Da fand ich gleich zu Beginn folgendes aufklärendes Zitat:
Don't think of gamification as only the use of badges, rewards and points; instead think of engaging elements of why people play games – it's not just for the points – its for the sense of engagement, immediate feedback, feeling of accomplishment, and success of striving against a challenge and overcoming it. (Kapp, 2012: xxii)
Obwohl ich noch nicht wirklich dazugekommen bin, mich mit dem Thema eingehend zu befassen, so hat eine erste Sichtung bereits eine Reihe von Problemen in meinem ANT-Kurs im Verständnis von Gamification ergeben:
- Punkte: Ich habe die Punkte mit den Quizzes auf einer 1:1 -Basis miteinander verknüpft. Ähnliche wie der Zertifikate fungieren sie bloß als eine extrinsische Motivation. Da Quizzes nur einmal absolviert werden können, haben Punkte als einmalige "Gegenleistung" keinen darüber hinausgehenden spielerischen und/oder motivierenden Charakter.
- Ranglisten: Die von allen Kursteilnehmer/innen einsehbaren Ranglisten sind durch ihren konkurrenzierenden Leistungscharakter kontraproduktiv: Statt Spaß und Spiel zu fördern, erzeugen sie Konkurrenz und Angst. Dementsprechend gab es auch schon Anfragen: "Wie kann ich bei der Rangliste anonym bleiben, aber die Zeugnissen jedoch mit meinen richtigen Namen erhalten?"
- Feedback: Ich habe bei den Fragen ein sehr detailliertes inhaltliches Feedback vorgesehen. In der Auswertung des Quizzes wird informiert, wie das erreichte Ergebnis zum gegebenen Zeitpunkt im Durchschnitt aller bisherigen Ergebnisse zu beurteilen ist. Die Ranglisten hingegeben geben einen Allzeit-Vergleich an. Abgesehen davon, dass dieses Feedback auf Konkurrenz und nicht auf Kooperation aufbaut, hat es durch das bloß einmalige Absolvieren des Quizzes kaum einen Gamification-Effekt.
- Levels: Sie sind bei mir ebenfalls bloß mit einer bestimmten Anzahl von Punkten verknüpft und haben keine besondere Bedeutung: Sie wirken sich weder auf den Schwierigkeitsgrad aus, noch ändern sie sonst etwas am (Kurs-)Geschehen.
- Badges: Ich habe Badges sowohl mit dem Erreichen einer bestimmten Punktezahl als auch mit einem – immer strengerem Prozentsatz – an komplett richtigen Antworten verknüpft. Besonders im fortgeschrittenem Stadium des Kurse – etwa ab Lektion 10 – stellen sie eine Herausforderung da, weil die hohen Badges wirklich recht schwer erreichbar sind. Weil die Quizzes aber nur einmal absolviert werden dürfen, ist auch damit keine zusätzliche Motivation (z.B. durch nochmalige Versuche) verbunden.
- Zeit: Ich habe weder beim Durcharbeiten der Lektionen noch bei den Quizzes Zeitlimits vorgesehen. Ich wollte selbst-organisiertes Lernen (wann, wie lange) nicht einschränken, habe damit aber auch keine spielerischen kompetitive Elemente vorgesehen (Wer hat den Quiz nicht nur richtig, sondern auch schnell ausgefüllt?)
Andere Aspekte von Gamification, wie die Einbindung in eine Geschichte (Story) und die Verknüpfung mit einem Ziel (Mission), sowie die Motivation sich durch Wiederholung (Replay, Do Over) habe ich überhaupt nicht verwendet. Im Prinzip habe ich die Vergabe von Punkten ähnlich wie das Notensystem verwendet: Als ein feiner granuliertes Feedback (zusätzlich zu den Noten: Sehr Gut, Gut… gibt es auch noch Punkte) und als eine Art Belohnung (statt Log und verbale Streicheleinheiten ("Gut gemacht") gibt es (Ehren")-Bezeichnungen für eine bestimmte Punkteanzahl ("Levels") und Auszeichnungen (Badges). Von der Motivationslage hat sich jedoch nichts oder nicht viel geändert.
Ideen für stärkere Nutzung von Gamification
Gemeinsam mit Doktoratsstudierenden aus dem LLL-Kolleg habe ich darüber nachgedacht, wie das Gamification-Konzept für meinen Kurs stärker genutzt werden könnte. Wir sind auf die folgenden Ideen gekommen:
1. Punkte
Wenn Quizzes öfters wiederholt werden können, könnte Lernende an der erreichten Punktezahl "drehen". Quiz-Wiederholungen hätte den didaktischen Effekt, dass Kursteilnehmer/innen – um sich zu verbessern – sich mit den Quizzes öfter und damit wohl auch intensiver auseinandersetzen.
Allerdings müsste irgendeine dynamische Einschränkung verhindern, dass alle Studierenden den Quiz solange wiederholen könnten, bis sie die maximale Punktezahl erreicht haben. Vorstellbar wäre immer schärfere zeitliche Restriktionen, sodass die für den Quiz zur Verfügung stehende Zeit immer kürzer wird und/oder dass die maximal zu erreichende Punktezahl sich mit der zunehmenden Anzahl von Versuchen sich verringert.
Leider ist das mit dem verwendeten Quiz-Plugin nicht möglich. Ganz abgesehen einmal von der komplizierten Änderung beim dynamischen Verhalten in Abhängigkeit der Anzahl der Versuche: Derzeit steigert jeder Quizversuch automatisch auch die Punkteanzahl, weil alle Punkte zusammengezählt werden. Eine entsprechende Anfrage um Änderung wurde vom Programmierer als zu starker Programmeingriff abgelehnt. Außerdem befürchtet er, dass das Programm – bei den dann komplexeren Berechnungen – langsamer werden könnte. Änderungen im Programmverhalten sind in dieser Hinsicht daher in naher Zukunft nicht zu erwarten.
2. Ranglisten
Wenn Quizzes wiederholt werden können, würden auch die Ranglisten interessanter werden, weil sich hier innerhalb der einzelnen Quizze Verschiebungen ergeben könnten.
Für das Problem, dass Lernende bei den einsehbaren Ranglisten anonym bleiben wollen, während aber bei den Zertifikaten der richtige Name erscheinen soll, gibt es eine einfache Lösung: Im Profil muss Vor- und Nachname richtig ausgefüllt werden, während eine Fantasie-Bezeichnung beim Spitznamen als "öffentlicher Name" gewählt werden kann.
3. Levels
Bei Spielen werden Level dazu verwendet, dass neue Eigenschaften des Programm stärkere Herausforderungen an die Spieler stellen. Dieses "Öffnen" höherer Komplexität geht Hand in Hand mit der Aneignung höherer Kompetenzen bei den Spielern, die damit schrittweise fit für die höheren Niveaus gemacht werden.
Im Brainstorming mit den Studierenden ist uns nur eingefallen, dass die Fragen schrittweise schwieriger werden und damit höhere Punktezahlen möglich sind. Das wäre vom Programm her technisch möglich, aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie ich das beim ANT-Kurs realisieren könnte. Abgesehen davon, dass es ja schon überhaupt schwierig war gute Fragen zu entwickeln, wie sollen die Fragen sinnvoll mit Schwierigkeitsgraden verknüpft werden?
Ein "Aufsteigen" in höhere "Ebenen" ist mit dem Fortschreiten des Kurses durch das "Öffnen" bzw. "Weitergehen" in die nächste Lektion gegeben. Weil aber jeder Quizversuch automatisch die Punktezahl erhöht, musste ich – um überhaupt noch eine faire Vergleichmöglichkeit bei den Ranglisten zu haben – vorsehen, dass jeder Quiz nur einmal absolviert werden darf und gleichzeitig jedes Quiz-Ergebnis (auch Nicht Genügend) zum Eintritt in die nächste Lektion berechtigt.
Eine andere Denk-Möglichkeit wären "Levels" innerhalb der einzelnen Lektionen. Werden z.B. beim Quiz sehr viele Fragen richtig beantwortet, könnte zusätzliche Fragen ("Bonus-Fragen") angezeigt werden. Es wäre damit die Chance zum Erreichen einer höheren Punktezahlen gegeben. Ich glaube, dass diese Variante technisch mit dem Plugin vielleicht möglich wäre, weil es eine Option für "Chained Logic" gibt. Danach kann – in Abhängigkeit von den Antworten – zu unterschiedlichen Fragen verzweigt werden. Ich muss mir das noch näher anschauen – aber ein nachträgliches Einführen wöre problematisch, weil damit das bisherige Kursgeschehen und Kursdynamik verfälscht werden würde.
4. Badges
Hier machten meine Studierenden den Vorschlag, Badges bei jedem Quiz nach einem (erstmaligen) exzellentem Abschneiden zu vergeben. Bei meiner Variante – wo sie an Punkte gekoppelt sind – seien sie zu stark mit der zu erreichenden Punktezahl und daher mit den Fortgang des Kursgeschehen verknüpft. Derzeit würde irgendwann – nach mehreren Lektionen und damit absolvierten Quizzes – alle Kursteilnehmer/innen zumindest die "unteren" Badges erreichen.
Nachträglich muss ich jedoch sagen, dass mich dieser Vorschlag nun nicht mehr überzeugt. Abgesehen davon, dass damit anderen Aspekten der Gamification, die auf der Wiederholung von Quizzes basieren, widersprochen wird, halte ich es für keine schlechte Idee Badges mit dem (erfolgreichen) Fortgang des Kurses zu verknüpfen. Das ist – so wie der Kurs derzeit konzipiert ist – vielleicht sogar noch jener Aspekt, der am ehesten der Idee der Gamification entspricht.
5. Zeit
Es ist im Programm nicht vorgesehen, dass in den Leaderboards neben der Punktezahl auch die verwendete Zeit angezeigt wird. Ich hätte jedoch die Zeit per Quiz beschränken können und damit – bei langsamen Ausfüllen – den Quiz nach einer vorgegebenen Zeitspanne schließen können. Einerseits habe ich das aus didaktischen Gründen – es gibt für jede Antwortvorgabe ein ausführliches Feedback, aus dem gelernt werden kann – für sinnvoll gefunden. Andererseits ist durch das bloß einmalige Absolvieren des Quizzes keine Verbesserungsmöglichkeit gegeben. Abgesehen davon, dass ich befürchte, dass – trotz der Randomisierung der Fragen und Antwortvorgaben – dem Zeitdruck am Besten durch mechanisches Memorisieren begegnet wird. Eine Strategie die meine didaktischen Überlegungen konterkariert hätte.
Gamification-Experiment: Erste Schlussfolgerungen
Aus den bisherigen Überlegungen ist wohl deutlich geworden, dass Gamifizierung – zumindest so wie ich sie jetzt verstehe – gar nicht so einfach umzusetzen ist. Es ist ein Konzept, das gar nicht so einfach didaktisch sinnvoll und motivierend eingesetzt werden kann. Vieles was bisher läuft – so auch bei meinem ANT-Kurs – entspricht eher einem Belohnungssystem statt einer gelungen Anwendung von Aspekten der Gamifizierung.
Ich muss gestehen, dass ich mir mit Gamifizierung insgesamt noch recht schwer tue: Immer noch sieht es so aus, dass hohe Kosten und komplexe Programmierung für attraktive Gamifizierung notwendig sind. Außerdem ist es inhaltlich gar nicht so einfach, bei meinem ANT-Kurs eine Storyline zu entwickeln, die etwa als Schatzsuche oder abenteuerlicher Parcour durchlaufen werden muss.
Zur Vollständigkeit und (vielleicht auch) als Entschuldigung möchte ich möchte noch erwähnen, dass ich in einer Vorgängerversion des ANT-Kurses alles frei geschalten habe. Kurs und Quizzess wurden als freiwilliges, ungesteuertes Material angeboten. Das Feedback meiner Beta-Tester war jedoch sehr negativ: Viel zu kompliziert, man/frau hat nicht gewusst, wo anfangen und wie weiter zu machen ist. Daher habe ich mich jetzt für diese eingeschränkte, recht stark gesteuerte sequentielle Version entschieden: Eine Lektion darf nur nach der anderen gelesen werden und auch nur dann, wenn der Quiz auch wirklich absolviert wurde.
Doch war dieser (erste) Versuch eines freien Angebots, vor allem aus didaktischen Gründen ("self-determined learner") und nicht aus Aspekten der Gamifizierung motiviert. Gamifizierung wollte ich erst mit diesem zweiten, neuerlichen Versuch probieren. Das ist insgesamt noch nicht besonders gelungen. Ich befürchte, dass bei mir immer noch die über Jahrzehnte gereifte "Ernsthaftigkeit" von Didaktik ein alternatives, lockeres und spielerisches Design von Lernprogrammen im Wege steht. Lernen muss "seriös" sein – oder gar zynisch ausgedrückt – Didaktik muss weh tun !
In diesem Sinne hat mein Experiment mit dem ANT-Kurs durchaus für mich schon ein erstes sinnvolles Ergebnis gebracht: Ich muss mich noch viel stärker mit Gamification beschäftigen und überlegen, wie es nicht nur praktisch, sondern auch billig und mit einfachen, allen zur Verfügung stehenden Mitteln, für E-Learning von "ernsten" Inhalten genutzt werden kann.
10 Antworten auf „Belohnung ist noch keine Gamification“
Trotz allem: Lernen tut weh – tat es schon immer und wird es immer tun. Man frage ein Kleinkind, welches laufen lernt, man frage Lionel Messi oder man frage meine jüngere Tochter, welche sich zur Zeit auf ihre Anwaltsprüfung vorbereitet.
Gamification wird gern mit „spielerisch“ übersetzt. Im absoluten Idealfall kann Lernen auch spielerisch geschehen. Nur sollte dann weniger von spielerisch, und mehr von berauschend, beglückend gesprochen werden. Wenn ein Skifahrer lernt, möglichst schnell einen Abhang hinunter zu fahren, tut dies zwar weh, kann aber auch spielerisch, eben im Sinne von berauschend, beglückend geschehen.
Was heisst das für (meine) SekundarschülerInnen?
Sie schreiben z.B. in einem meiner Tests nicht die Hauptstädte aller europeischen Länder auf, sondern produzieren ein Quiz: http://rueedi.imnusshof.ch/lernenunterwegs/2-5-flashcards/
Hallo Herr Rüedi,
ich denke hier sieht man bereits die Schwierigkeit, wenn sich Leute mit dem Thema Lernen und Spielen auseinandersetzen. Sie sagen ‚Lernen tut weh‘. Wenn ich mich an Ihren Beispielen von Messi und ‚laufen lernen‘ aufhänge, dann evtl. ja. Aber das bezieht sich ja auf das motorische ‚an seine Grenzen gehen‘. Im Kontext von Gamification reden wir aber von der Motivation und dem Willen im Vorfeld überhaupt anfangen zu wollen bzw. begierig darauf zu sein, zu lernen. Und das muss nicht weh tun. Auch wenn wir in den letzten Jahrhunderten das so erfahren haben.
Schließlich ist jedes Spiel, jedes Videospiel, jedes Brettspiel, jedes Kartenspiel, jedes Sandkastenspiel, jedes Hobby (ebenfalls ein Spiel) und jeder Sport einfach nur eine reine Lernumgebung. Am Anfang steht immer ein Problem, dass wir nicht sofort lösen können. Wenn wir es lösen können, dann sind wir entweder gelangweilt und hören wieder auf oder wir ’steigen auf‘ bekommen schwere Probleme und Gegner bis wir es eben halt nicht mehr einfach so schaffen. Es ist doch interessant, dass die Belohnung im Spiel daraus besteht, dass das Spiel härter wird. Und dennoch bleiben wir freiwillig dabei. Wir wollen also eigentlich gefordert werden und lernen denn der Mensch ist auch so gebaut. Unser Gehirn kann (und will) auch gar nicht anders. Auch wenn unser Bildungssystem es schafft dies erst einmal zu ‚torpedieren‘.
Spielerisch lernen bedeutet eigentlich nichts anderes als sich einem Problem ausgesetzt zu sehen, welches man erst einmal begreifen und schließlich lösen muss. Im Gegensatz zur Schule geht dies hier aber mit try & error, einer Story (nein, ich meine nicht ‚es war einmal‘) und vor allem einer Herausforderung, die sich den eigenen Fähigkeiten anpasst. Genau das erleben wir leider nicht in unserem Schulsystem.
Um abzuschliessen: Ja, sie haben recht. Lernen tut weh bzw. ist verdammt anstrengend. Und dennoch gibt es Rahmenbedingungen unter denen wir es lieben. Hier kann man eben viel vom Spiel lernen und hier kommt Gamification ins Spiel. Jedenfalls manchmal, da es meistens leider kein Gamification drin ist, wo Gamification drauf steht. (IMHO)
Hallo Herr Baumgartner,
vielen Dank für diesen Erfahrungsbericht. Ich hoffe, er wird von vielen Lehrern gelesen, da diese nämlich immer dieselbe Erfahrung machen wenn sie sich an Gamification heranwagen.
Der Punkt ist, dass das Thema Punkte, Badges, Ranglisten, Progrssbars, usw. (also hauptsächlich das visuelle bzw. kommunizierte Feedback) nur die letzten 2% sind, über die Sie sich bei Gamification Gedanken machen müssen. Gegebenenfalls funktioniert es sogar manchmal fast gänzlich ohne.
Gamification wird hauptsächlich durch den Kontext Inhalt & Teilnehmer bestimmt.
Also z.b.:
1. stimmt die Herausforderung der Aufgabe wirklich mit den Fähigkeiten des Users überein. Wenn ja, wie lässt man das Niveau ansteigen, wenn nein, wie lässt man ihn aufholen?
2. Was für unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten bzw. Rollen gibt es für den Teilnehmer? Gibt es nur einen Lösungsweg und er wird so lange mit der Nase darauf hingestossen bis er es rafft, stellt sich auch nach erfolgreicher Lösung kaum ein Zufriedenheitsgefühl bzw. Erfolgserlebnis ein.
3. Wie steht das zu lösende Problem im Zusammenhang mit einem Kontext. Warum macht man es? Was ist die Story dahinter? Heißt: Wenn man als Teilnehmer sich die neuen Fähigkeiten aneignet und endlich die Herausforderung besteht, was kommt dann? Schließlich will man diese Fähigkeiten direkt einsetzen und nun natürlich die nächste Herausforderung (und den dazugehörigen Lerneffekt) erleben.
Das sind nur Beispiele, um was es wirklich beim gamifizieren geht. Ein ‚gebrochenes‘ System, das diese Fragen nicht beantworten kann (das Problem unseres Bildungssystems) kann durch ein direkteres Feedbacksystem nur unwesentlich verbessert werden. Nicht das wir uns falsch verstehen: Gut designtes und getimtes Feedback ist unabdingbar. Aber es steht immer am Ende der Designkette und nicht am Anfang.
Auch geht hier vieles evtl. offline. Das kommt auf den Kontext an. Eine kostenintensive Software muss also nicht sein. In meinem Beitrag zum Buch ‚New Media Culture‘, wo ich ein Kapitel zum Thema Gamification beigetragen habe, bringe ich ein Beispiel von einem Hotelier aus dem Allgäu, der Gamification komplett offline umgesetzt hat. Und diese sehr pfiffig und stimmig mit dem Kontext des Hotels.
Der Hotlier beschreibt das Beispiel hier selbst: http://hotelbusiness-blog.blogspot.de/2014/01/ich-will-doch-nur-spielen.html
Es ist sehr einfach, aber eben auch dem Kontext geschuldet. Auch hier: Der langfristige Erfolg lag in der Tätigkeit und nicht im Feedback (Titel, Übernachtung).
Gamification bedeutet eine Aktivität so zu gestalten, dass wir sie um der Aktivität willen machen und nicht wegen dem Resultat. Das ist IMMER zweitrangig.
Hallo und danke für diese Gedanken.
Als ich gestern den Artikel überflogen habe, wollte ich noch schreiben „was kümmert eine Definition von Gamification auf Slideshare“, aber da sich der Autor hier selbst gemeldet hat, gern etwas ausführlicher.
Also: was kümmert eine Definition von Gamification auf Slideshare 🙂
Unter Detering et al. (2011) [1] ist „‚Gamification‘ is the use of game design elements in non-game contexts.“ Badges, Ranglisten etc. werden als „Game interface design patterns“ aufgeführt und „gameful design“ als „designing for gamefulness, typically by using game design elements“.
Während ich diese Definition ganz gut verstehe, ist mir die Unterscheidung von Roman Rackwitz überhaupt nicht klar. Das einzige Ergebnis dieser Überlegung ist doch jetzt, dass man die ursprünglichen Gamification-Elemente erfolgreich „rausdefiniert“ wurden und alle Überlegungen in Richtung Spieldesign (gameful learning nach obiger Definition, ggf. etwas komplexer) technisch zu anspruchsvoll sind (und nebenbei auch nicht sicher ist, dass der Lerneffekt besser wäre). Im Gegenteil: im Workshop „Spiele und Spieleelemente in Lernkontexten“ auf der DeLFI (http://www.delfigames.de/) fand ich auch den Vergleich ganz gut: Gamification ist nicht, Brokkoli mit Schokolade zu überziehen, sondern das „Wenn Du den Brokkoli aufisst, dann bekommst Du die Schokolade“.
Ich bin ja sehr dafür, die richtigen Begriffe zu verwenden und gegen aufgeblasene Buzzwords, aber hier sehe ich weder einen Beleg für diese Auffassung, noch einen Grund, das so auseinander zu sezieren.
[1] Deterding, S., Dixon, D., Khaled, R., & Nacke, L. (2011). From Game Design Elements to Gamefulness: Defining “Gamification.” In Proceedings of the 15th International Academic MindTrek Conference on Envisioning Future Media Environments – MindTrek ’11 (pp. 9–15). New York, New York, USA: ACM Press. doi:10.1145/2181037.2181040
Hallo Anja, danke für dein Kommentar zu meinen Ausführungen. Die Ausführungen von Deterding kenne ich sehr gut. Da wir bereits ab und zu zusammen auf der Bühne bzw. Konferenz waren, hatten wir auch spannende Gespräche gehabt. Und ja, Deterding bezeichnet Punkte und Badges als Gamification-elemente. Das ist auch richtig und das tue ich auch. Ich habe über die Priorisierung gesprochen. Das spricht Deterding auch oft genug selbst an. Unter anderem z.B. hier: https://www.youtube.com/watch?v=_WnE5PC8Nks
Auch die Definition von Deterding stimmt: „‚Gamification‘ is the use of game design elements in non-game contexts.“ Badges, Ranglisten etc. werden als „Game interface design patterns“ aufgeführt und „gameful design“ als „designing for gamefulness, typically by using game design elements“.
Jedoch sagt hier niemand, dass Badges und Ranglisten hier die einzigen bzw. die wichtigsten wären. Das hat sich leider so eingebürgert.
Aber natürlich gibt es hier zwei große Gruppen an Gamification-Vertretern:
Die einen setzen besonders auf Punkte, Badges und Ranglisten. Hier sind vor allem auch die Gamification-Plattform Anbieter vertreten.
Die anderen sehen in Ansätzen, die hauptsächlich auf Belohnung bauen einfach nur klassische Belohungssysteme. Zu denen gehöre (natürlich) auch ich.
Ich vertrete diese Meinung vor allem aus zwei Gründen:
1. Gamification (so wie Spiele) zielt auf das schaffen intrinsischer Motivation ab während die genannten Elemente wie Punkte, Badges und Ranglisten diese eher verhindert und die extrinsische Motivation fördert.
2. Kann ich solch eine Fokussierung, tu etwas und dann bekommst du etwas, nicht als eines der Kernelemente realer Spiele bzw. von Videospielen erkennen. Hier sind Punkte, Badges und Ranglisten reine Feedbackelemente während sie beim Gamification gerne als der Ursprung der Motivation gesehen werden.
Aber eine langweilige Aktion belohnt ist immer noch langweilig. An der Aktivität selbst hat man da nichts geändert. Spieldesigner überlegen sich, wenn ein Spiel nicht so gut ankommt bzw. funktioniert, nie wie man es mit Punkten, Badges oder Ranglisten ‚fixen‘ könnte. Eben weil es dort nie die primären Elemente sind.
Wer das perfekt beschreibt ist auch der berühmte Gamedesigner Raph Koster in seinem Buch ‚The Theory of Fun“.
Und das Beispiel vom Brokkoli mit der Schokolade wird auch von Koryphäen wie Jesse Schell als unwirkungsvoll ‚zerrissen‘. Leider hören hier auch zu wenig Personen aus dem Gamificationbereich auf solche Experten.
Aber wie gesagt, es gibt zwei Lager und ich sage nicht, dass die Seite, die ich vertrete die einzig richtige ist. Ich kann nur den Belohungsansatz überhaupt nicht verstehen, da er sich seit längerem sogar als immer unwirksamer erweist. Siehe die ganzen Kundenbindungsprogramme, usw.
Freue mich auf Feedback….
Hallo Anja,
Sorry, war einige Tage weg, sodass ich erst jetzt dazukomme auch selbst mal kurz Stellung zu nehmen. Ich muss da aber deutlich einschränken, dass ich mich (noch) nicht wirklich mit Gamification ernsthaft auseinandergesetzt habe. Meine Bereitschaft, auf den Einwand von Herrn Rackwitz sofort positiv zu reagieren, wurde aus zwei (didaktischen) Motiven gespeist:
Ich habe daher den kritischen Anstoß gerne wahrgenommen, um mich verstärkt mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Vor allem hat mir die Unterscheidung zwischen Belohnung vs. Gamification, die Herr Rackwitz ins Feld geführt hat, gut gefallen. Dass man/frau mit Punkten, Levels und Badges eine Art von Belohnungssystem aufbauen kann, war mir an meinem eigenen Kurs klar geworden. Dass damit aber noch kaum das Lernerlebnis selbst lustvoller geworden ist, ist mir an meinem Kurs – der ja sehr textlastig und traditionell aufgebaut und strukturiert ist – ebenfalls sehr deutlich geworden.
Ehrlich gesagt habe ich für meinen Anwendungsfall – ANT an Hand des Buches von Bruno Latour zu erläutern – immer noch keine zündende Idee entwickelt, wie ich dieses Kurs gut „gamifizieren“ kann. Ein paar provisorische Ideen habe ich in diesem Beitrag entwickelt und hoffe, dass der Entwickler des Plugins die entsprechenden Modifikationen vornimmt, damit ich zumindest diese Gedanken mal umsetzen und testen kann.
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Tatsächlich sehe ich gerade, habe ich eine Mail in meiner Abwewesenheit mit einer neuen Version von WatuPRO Play bekommen, wo es nun möglich ist, dass nur der letzte Versuch bei einem absolvierten Quiz gilt. Damit lässt sich jetzt vielleicht doch ein spielerischer und/oder kompetitiver Charakter bei den Quizzes umsetzen. – Wichtig wäre aber wahrscheinlich für meine Idee noch, dass die Anzahl der Versuche ebenfalls eine Rolle spielen. Sonst kann jeder solange probieren, bis alles 100% richtig beantwortet ist. (Wäre vielleicht vom gewünschten Lerneffekt auch nicht ganz falsch, wenn es nicht auf ein stupides Auswendiglernen hinausläuft… Ich musss da offensichtlich noch etwas Hirnschmalz investieren – aber vielleicht hat hier jemand anderer eine gute Idee, wie textlastiges Material mit Quizzes kombiniert interessanter, spielerischer bzw. lustvoller gestaltet werden kann?)
[…] Was folgt, ist eine ausführliche Beschreibung der Erfahrungen, die Peter Baumgartner mit verschiedenen Kurs-Features gemacht hat. Und die sich auch gut nachvollziehen lassen, wenn man den Kurs selbst nicht kennt. Wenn ich seine Lernkurve richtig deute, lautet sie: Auch Gamification benötigt ein Konzept. Peter Baumgartner, Gedankensplitter, 1. Februar 2016 […]
Woher kommt eigentlich die erwähnte Ernsthaftigkeit der Didaktik, wenn doch die Verbindung von Spiel und Studium schon eine so lange Tradition hat?
[…] „Belohnung ist noch keine Gamification“ – Zu diesem Schluss kam Peter Baumgartner und er erklärt in seinem Blogartikel auch sehr […]
[…] “Belohnung ist noch keine Gamification” – Zu diesem Schluss kam Peter Baumgartner und er erklärt in seinem Blogartikel auch sehr […]