Vorbemerkung
Das ist der zweite von vier Artikeln, die sich mit dem Thema Hervorheben und Zusammenfassen beschäftigen:
- Texte markieren
- Texte strukturieren (dieser Artikel)
- Thematische Zusammenfassungen schreiben
- Grafische Zusammenfassungen erstellen
Ich stütze mich dabei wieder auf das Buch von Fiona McPherson "Effective Notetaking" .
Zu jedem der vier allgemein gehaltenen Beiträge plane ich ergänzend einen begleitenden "How-to" orientierten Post. Darin zeige ich exemplarisch wie die angesprochenen theoretischen Richtlinien im Rahmen einer digitalen Lesekompetenz (Digital Reading) umgesetzt werden können.
Texte strukturieren mit Überschriften
Wird ein Text strukturiert, so hat dies sowohl für das Verständnis als auch für die Behaltensleistung positive Effekte. Neben verschiedene strukturelle Elemente wie (farblich hinterlege) Kästen, Marginalien (Randtexte), Tabellen, Grafiken sind es vor allem Überschriften, die einen Text inhaltlich strukturieren. Die Nutzung von Überschriften hat eine Reihe von Vorteilen:
- Überschriften wirken als organisatorische Signale, die auf das Themen hinweisen, das im folgendem Abschnitt unter dieser Überschrift behandelt wird.
- Überschriften können wie das Markieren von Textpassagen den wichtigsten Gedanken hervorheben. "Können" deshalb, weil es abhängig davon ist, wie die Überschrift inhaltlich formuliert wird. Expositorische Texte haben (leider) manchmal Überschriften, die keinen direkten Bezug zum Inhalt haben, sondern sind lockere bis witzige Titel, die zum (Weiter-)Lesen motivieren sollen.
- Überschriften können die Behaltensleistung erhöhen, jedoch – wie bereits in Texte markieren erwähnt – nur geringfügig und kurzzeitig und auf Kosten anderer, nicht hervorgehobener Inhalte.
Die bei weitem wichtigste Eigenschaft von Überschriften ist es, dass sie als organisatorische Signale, Texte strukturieren bzw. gliedern. Es hat sich nämlich gezeigt, dass Überschriften helfen,
- bessere Zusammenfassungen und Gliederungen ("Outlines") zu schreiben .
- eine bessere Erinnerungsfähigkeit zu den angesprochenen Hauptpunkten zu entwickeln .
Texte strukturieren mit organisatorischen Signalen
Organisatorische Signale sind aus vielen Gründen für das Erfassen eines Textes wichtig : Sie geben Hinweise
- was im Text wichtig ist
- was von den folgenden Textpassagen zu erwarten ist (Priming)
- wie die verschiedenen Gedanken zusammenhängen
- wie eigene Notizen strukturiert werden sollen
- welche Fragen an den Text zu stellen sind (darauf gehe ich in einem späteren Beitrag noch ausführlich ein)
Weist ein Text keine organisatorischen Signale auf, dann tendiert die Behaltensleistung dazu, zufällige Merkmale des Textes zu widerspiegeln. Statt die Struktur des Textes zu erinnern, kommen dann allgemeine Grundsätze der Gedächtnisleistung zum Tragen : Fiona McPherson fasst diese allgemeinen Gedächtnisfaktoren in drei Punkten zusammen (Location 874):
- Serielle Position: Inhalte am Beginn oder am Ende eines Textes werden eher erinnert als Inhalte in der Mitte des Textes.
- Inhaltliche Vertrautheit: Bekanntes wird eher erinnert als neue Informationen.
- Relative Länge: Elaborierte Ideen bzw. ausführlich erklärte Gedanken werden eher erinnert als kurze Anmerkungen.
Texte strukturieren, wenn es keine Überschriften gibt
Hat ein Text keine Überschriften oder wenn die Überschriften – was häufiger der Fall ist – nicht ausreichend und/oder nicht gut geeignet sind, dann ist es hilfreich selbständig Überschriften zu generieren. Dabei muss die Überschrift nicht kurz und bündig sein, sondern kann durchaus einen ganzen (Merk-)Satz umfassen.
Um aber selber Überschriften entwickeln zu können, müssen entsprechende Signale für Strukturen im Text aufgesucht und erkannt werden. Die folgende Liste ist zwar nicht vollständig, kann aber hoffentlich als Startpunkt dienen. Zu beachten ist, dass die angeführten Wörter jeweils in allen möglichen Flexionen zu suchen sind:
- Beschreibung: im Besonderen, zum Beispiel, ist definiert, …
- Zusammenstellung: zusätzlich zu, außerdem, weiter ist zu beachten, eine Reihe von, viele, …
- Klassifikation: gehört zu, ist Teil von, Gruppe, Kategorie, Typ, …
- Sequenz: erstens … zweitens, daher, letztlich, danach, führt zu, verursacht, daher, wenn … dann, weil, …
- Vergleich: ähnlich, ebenfalls, gleichermaßen, im Vergleich, unterschiedlich, identisch, …
- Kontrast: hingegen, aber, einerseits … andererseits, im Gegensatz, im Kontrast dazu, zum Unterschied von …
Mit den folgenden drei Fragen an Text können Sie entscheiden, ob eine Überschrift hilfreich ist:
- Wird ein wichtiger Punkt, Thema angesprochen?
- Gibt es eine verständliche Verbindung/Übergang zwischen verschiedenen Themen?
- Ist die Überschrift eingängig, leicht zu merken?
Diese Fragen können übrigens auch für andere Hervorhebungen, wie z.B. beim Markieren von Texten, angewendet werden.
Zusammenfassung
Wie beim Markieren von Texten geht es bei Überschriften nicht in erster Linie um eine Erhöhung der Behaltensleistung. Während Texte markieren die Aufmerksamkeit fokussieren hilft, unterstützen Überschriften beim Erfassen der Struktur von Texten.
Texte strukturieren mit Überschriften ist besonders dann sehr hilfreich, wenn
- der Text verschiedene Themen anspricht
- es an anderen organisatorischen Signale mangelt
- es Leser:innen am notwendigen Hintergrundwissen mangelt.
Die Überschriften sollen auf den wesentlichen Punkt des folgenden Abschnitts hinweisen und können durchaus aus einem längeren Satz bestehen. Überschriften sollen den Text inhaltlich strukturieren und brauchen daher nicht knapp, metaphorisch oder sonst irgendwie peppig formuliert sein.
Als Ergänzung zu diesem Kapitel gibt es auch einen englisch-sprachigen H5P-Quiz, den ich aus dem hier bereits mehrmals zitierten Buch von Fiona McPherson Effective Notetaking entnommen habe