Texte strukturieren

Überschriften sind ein bewährtes Hilfsmittel um Texte zu gliedern. Sie helfen den Aufbau eines Textes leichter zu erfassen. Gibt es keine Überschriften, oder sind sie nicht aussagekräftig, dann ist es wichtig, dass Sie selbst diese Texte strukturieren und Überschriften selbst generieren.

Welche Lerneffekte Überschriften haben und wie sie erstellt werden, zeigt dieser Beitrag.

Vorbemerkung

Das ist der zweite von vier Artikeln, die sich mit dem Thema Hervorheben und Zusammenfassen beschäftigen:

Ich stütze mich dabei wieder auf das Buch von Fiona McPherson "Effective Notetaking" .

Zu jedem der vier allgemein gehaltenen Beiträge plane ich ergänzend einen begleitenden "How-to" orientierten Post. Darin zeige ich exemplarisch wie die angesprochenen theoretischen Richtlinien im Rahmen einer digitalen Lesekompetenz (Digital Reading) umgesetzt werden können.

Texte strukturieren: Bildschirmfoto einer Textgliederung, die mit Hilfe eines Outliners (Gliederungssoftware) erstellt wurde.
Das Bildschirmfoto zeigt einen Ausschnitt meiner Notizgliederung, die ich beim Lesen von "Effective Notetaking" in Obsidian erstellt habe. Bildquelle: "Texte strukturieren" von Peter Baumgartner (CC BY-SA 4.0)

Texte strukturieren mit Überschriften

Wird ein Text strukturiert, so hat dies sowohl für das Verständnis als auch für die Behaltensleistung positive Effekte. Neben verschiedene strukturelle Elemente wie (farblich hinterlege) Kästen, Marginalien (Randtexte), Tabellen, Grafiken sind es vor allem Überschriften, die einen Text inhaltlich strukturieren. Die Nutzung von Überschriften hat eine Reihe von Vorteilen:

  • Überschriften wirken als organisatorische Signale, die auf das Themen hinweisen, das im folgendem Abschnitt unter dieser Überschrift behandelt wird.
  • Überschriften können wie das Markieren von Textpassagen den wichtigsten Gedanken hervorheben. "Können" deshalb, weil es abhängig davon ist, wie die Überschrift inhaltlich formuliert wird. Expositorische Texte haben (leider) manchmal Überschriften, die keinen direkten Bezug zum Inhalt haben, sondern sind lockere bis witzige Titel, die zum (Weiter-)Lesen motivieren sollen.
  • Überschriften können die Behaltensleistung erhöhen, jedoch – wie bereits in Texte markieren erwähnt – nur geringfügig und kurzzeitig und auf Kosten anderer, nicht hervorgehobener Inhalte.

Die bei weitem wichtigste Eigenschaft von Überschriften ist es, dass sie als organisatorische Signale, Texte strukturieren bzw. gliedern. Es hat sich nämlich gezeigt, dass Überschriften helfen,

  • bessere Zusammenfassungen und Gliederungen ("Outlines") zu schreiben .
  • eine bessere Erinnerungsfähigkeit zu den angesprochenen Hauptpunkten zu entwickeln .

Texte strukturieren mit organisatorischen Signalen

Organisatorische Signale sind aus vielen Gründen für das Erfassen eines Textes wichtig : Sie geben Hinweise

  • was im Text wichtig ist
  • was von den folgenden Textpassagen zu erwarten ist (Priming)
  • wie die verschiedenen Gedanken zusammenhängen
  • wie eigene Notizen strukturiert werden sollen
  • welche Fragen an den Text zu stellen sind (darauf gehe ich in einem späteren Beitrag noch ausführlich ein)

Weist ein Text keine organisatorischen Signale auf, dann tendiert die Behaltensleistung dazu, zufällige Merkmale des Textes zu widerspiegeln. Statt die Struktur des Textes zu erinnern, kommen dann allgemeine Grundsätze der Gedächtnisleistung zum Tragen : Fiona McPherson fasst diese allgemeinen Gedächtnisfaktoren in drei Punkten zusammen (Location 874):

  • Serielle Position: Inhalte am Beginn oder am Ende eines Textes werden eher erinnert als Inhalte in der Mitte des Textes.
  • Inhaltliche Vertrautheit: Bekanntes wird eher erinnert als neue Informationen.
  • Relative Länge: Elaborierte Ideen bzw. ausführlich erklärte Gedanken werden eher erinnert als kurze Anmerkungen.

Texte strukturieren, wenn es keine Überschriften gibt

Hat ein Text keine Überschriften oder wenn die Überschriften – was häufiger der Fall ist – nicht ausreichend und/oder nicht gut geeignet sind, dann ist es hilfreich selbständig Überschriften zu generieren. Dabei muss die Überschrift nicht kurz und bündig sein, sondern kann durchaus einen ganzen (Merk-)Satz umfassen.

If headings are provided in the text, pay attention to them, but don’t hesitate to re-write them if they are not useful to you.

(Location 916)

Um aber selber Überschriften entwickeln zu können, müssen entsprechende Signale für Strukturen im Text aufgesucht und erkannt werden. Die folgende Liste ist zwar nicht vollständig, kann aber hoffentlich als Startpunkt dienen. Zu beachten ist, dass die angeführten Wörter jeweils in allen möglichen Flexionen zu suchen sind:

  • Beschreibung: im Besonderen, zum Beispiel, ist definiert, …
  • Zusammenstellung: zusätzlich zu, außerdem, weiter ist zu beachten, eine Reihe von, viele, …
  • Klassifikation: gehört zu, ist Teil von, Gruppe, Kategorie, Typ, …
  • Sequenz: erstens … zweitens, daher, letztlich, danach, führt zu, verursacht, daher, wenn … dann, weil, …
  • Vergleich: ähnlich, ebenfalls, gleichermaßen, im Vergleich, unterschiedlich, identisch, …
  • Kontrast: hingegen, aber, einerseits … andererseits, im Gegensatz, im Kontrast dazu, zum Unterschied von …

Mit den folgenden drei Fragen an Text können Sie entscheiden, ob eine Überschrift hilfreich ist:

  • Wird ein wichtiger Punkt, Thema angesprochen?
  • Gibt es eine verständliche Verbindung/Übergang zwischen verschiedenen Themen?
  • Ist die Überschrift eingängig, leicht zu merken?

Diese Fragen können übrigens auch für andere Hervorhebungen, wie z.B. beim Markieren von Texten, angewendet werden.

Zusammenfassung

Wie beim Markieren von Texten geht es bei Überschriften nicht in erster Linie um eine Erhöhung der Behaltensleistung. Während Texte markieren die Aufmerksamkeit fokussieren hilft, unterstützen Überschriften beim Erfassen der Struktur von Texten.

Texte strukturieren mit Überschriften ist besonders dann sehr hilfreich, wenn

  • der Text verschiedene Themen anspricht
  • es an anderen organisatorischen Signale mangelt
  • es Leser:innen am notwendigen Hintergrundwissen mangelt.

Die Überschriften sollen auf den wesentlichen Punkt des folgenden Abschnitts hinweisen und können durchaus aus einem längeren Satz bestehen. Überschriften sollen den Text inhaltlich strukturieren und brauchen daher nicht knapp, metaphorisch oder sonst irgendwie peppig formuliert sein.


Als Ergänzung zu diesem Kapitel gibt es auch einen englisch-sprachigen H5P-Quiz, den ich aus dem hier bereits mehrmals zitierten Buch von Fiona McPherson Effective Notetaking entnommen habe


Verwendete Literatur

Brooks, L. W., Dansereau, D. F., Holley, C. D., & Spurlin, J. E. (1983). Generation of descriptive text headings. Contemporary Educational Psychology, 8(2), 103–108. https://doi.org/10.1016/0361-476X(83)90001-2
Brooks, L. W., Dansereau, D. F., Spurlin, J. E., & Holley, C. D. (1983). Effects of headings on text processing. Journal of Educational Psychology, 75(2), 292. https://doi.org/10.1037/0022-0663.75.2.292
Hartley, J., Kenely, J., Owen, G., & Trueman, M. (1980). The Effect Of Headings On Children’s Recall From Prose Text. British Journal of Educational Psychology, 50(3), 304–307. https://doi.org/10.1111/j.2044-8279.1980.tb00816.x
Hyönä, J., & Lorch, R. F. (2004). Effects of topic headings on text processing: Evidence from adult readers’ eye fixation patterns. Learning and Instruction, 14(2), 131–152.
Loman, N. L., & Mayer, R. E. (1983). Signaling techniques that increase the understandability of expository prose. Journal of Educational Psychology, 75(3), 402. https://doi.org/10.1037/0022-0663.75.3.402
Lorch, R. F., Lorch, E. P., & Matthews, P. D. (1985). On-line processing of the topic structure of a text. Journal of Memory and Language, 24(3), 350–362. https://doi.org/10.1016/0749-596X(85)90033-6
Lorch Jr, R. F., & Lorch, E. P. (1996). Effects of organizational signals on text-processing strategies. Journal of Educational Psychology, 87(4), 537. https://doi.org/10.1037/0022-0663.87.4.537
Lorch Jr, R. F., & Lorch, E. P. (1996). Effects of organizational signals on free recall of expository text. Journal of Educational Psychology, 88(1), 38.
Lorch Jr, R. F., Lorch, E. P., & Matthews, P. D. (1985). On-line processing of the topic structure of a text. Journal of Memory and Language, 24(3), 350–362.
McPherson, F. (2018). Effective Notetaking (3rd. revised edition). Wayz Press.
Meyer, B. J. (1987). Following the author’s top-level organization: An important skill for reading comprehension. Understanding Readers’ Understanding: Theory and Practice, 59–76.

Von Peter Baumgartner

Seit mehr als 30 Jahren treiben mich die Themen eLearning/Blended Learning und (Hochschul)-Didaktik um. Als Universitätsprofessor hat sich dieses Interesse in 13 Bücher, knapp über 200 Artikel und 20 betreuten Dissertationen niedergeschlagen. Jetzt in der Pension beschäftige ich mich zunehmend auch mit Open Science und Data Science Education.

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