Das ist der letzte von vier Artikeln, die sich mit dem Thema Hervorheben und Zusammenfassen beschäftigen:
- Texte markieren
- Texte strukturieren
- Thematische Zusammenfassungen schreiben
- Grafische Zusammenfassungen erstellen (dieser Artikel)
Ich stütze mich dabei wieder auf das Buch von Fiona McPherson "Effective Notetaking" .
Zu jedem der vier allgemein gehaltenen Beiträge plane ich ergänzend einen begleitenden "How-to" orientierten Post. Darin zeige ich exemplarisch wie die angesprochenen theoretischen Richtlinien im Rahmen einer digitalen Lesekompetenz (Digital Reading) umgesetzt werden können.
Grafische Zusammenfassungen und ihre Vorteile
Texte Re-organisieren
Ganz abgesehen davon, dass eigenständige Zusammenfassungen Texte besser verständlich machen und – richtig angewendet – Vorwissen aktivieren, haben grafische Zusammenfassungen gegenüber thematische Zusammenfassungen noch weitere Vorteile:
In einer thematischen Zusammenfassung – z.B. einer Outline, wie ich sie in Texte strukturieren dargestellt habe – werden Bündel zusammengehöriger Inhalte zwar deutlich, deren Relationen zueinander aber bleiben im Dunkel. Gerade diese Beziehungen zwischen verschiedenen Gruppen von Inhalten werden in grafischen Zusammenfassungen, wie z.B. Baumdiagrammen, recht deutlich.
Grafische Zusammenfassungen fassen nicht nur den Text zusammen, sondern re-strukturieren ihn auch.
Langzeit-Erinnerung und geringere kognitive Last
Sie haben damit gegenüber thematischen Zusammenfassungen zwei entscheidende Vorteile:
- Sie sind besser für Langzeiterinnerungen geeignet. Dies gilt besonders bei langen Texten .
- Sie reduzieren die kognitive Last gegenüber thematischen Gliederungen .
Der Grund warum grafische Zusammenfassungen eine niedrigere kognitive Last bewirken, liegt an der spezifischen Verarbeitung des Hirns, das visuelle und akustische Reize in unterschiedlichen Arbeitsspeichern und Hirnarealen verarbeitet . Visuell aufgenommene Wörter tendieren dazu im akustischen Kurzzeitgedächtnis dekodiert zu werden, während graphische Zusammenfassungen sowohl akustisches als auch visuelles Kurzzeitgedächtnis zur Dekodierung nutzen.
Wegen ihrer Vorteile sollten grafische Zusammenfassungen überwiegend genutzt werden. Wenn z.B. eine Gliederungsstruktur (z.B. in Form eines Inhaltsverzeichnis) vorhanden ist, ist es ein sehr wertvolle Übung sie (oder Teile davon) in eine grafische Zusammenfassung zu überführen. Nicht immer ist dabei eine Baumstruktur sinnvoll, manchmal bewährt sich auch eine Grafik in Form einer Matrix, d.h. einer Grafik in Form einer Tabelle mit Zeilen und Spalten.
Die bisherigen Beispiele von Diagrammen zeigen, dass grafische Zusammenfassungen in vielfachen handwerklichen Ausführungen entwickelt werden können. Es ist ganz wichtig zu betonen, dass sie keine grafischen Kunstfertigkeiten benötigen. Statt (rudimentärer) Skizzen können auch Icons, Blöcke, Texte etc. in grafische Zusammenhänge gebracht und genutzt werden.
Wann sollen grafische Zusammenfassungen nicht genutzt werden?
Geht es nicht um Verständnis, sondern nur darum die Fakten zu lernen, dann sind Gliederungen mit grafischen Zusammenfassungen gleichwertig , zitiert nach (Location 1451). Bei kurzen Texten (1000 Wörter oder weniger) sind Gliederungen sogar vorteilhafter, weil dann der Vorteil der geringeren kognitiven Last bei grafischen Zusammenfassungen wegfällt . Außerdem sind grafische Zusammenfassungen aufwändiger zu erstellen und benötigen mehr Zeit als thematische Zusammenfassungen. Ihre Vorteil können daher bei kurzen Texten nicht voll genutzt werden.
Zum Abschluss dieses Abschnitts stelle ich die Vorteile von thematischen und grafischen Zusammenfassungen einander gegenüber:
Grafische Zusammenfassungen | Textliche Zusammenfassungen |
---|---|
benötigen mehr Zeit | sind leichter und schneller zu erstellen |
bei kurzen, einfachen Texten wenig hilfreich | eignen sich besser für kurze, einfache Texte |
hilfreich beim Erhöhen des Verständnisses | hilfreich beim Faktenlernen |
hilfreich beim Erstellen von Gruppen mit ähnlichen Eigenschaften | hilfreich beim Zeigen hierarchischer Informationen |
hilfreich beim Zeigen der Beziehungen zwischen den Gruppen | Beziehungen zwischen Gruppen bleiben im Dunkeln |
Weitere Arten von grafischen Zusammenfassungen
Ursachen und Wirkungsdiagramme
Neben dem bereits erwähnten Baum- und Matrix-Diagramm ist das Ursachen-Wirkungsdiagramm als eine besonders wichtige Form zur Visualisierung wissenschaftlicher Texte hervorzuheben. Statt einer Aufzählung der Fakten stellt ein Ursachen-Wirkungsdiagramm nicht nur einen zeitlichen Ablauf dar, sondern auch eine Kette von Ursache und Wirkung.
Annotierte Illustrationen
Ganz besonders wertvoll für Ursache-Wirkungszusammenhänge ist die Integrationen verschiedener Medienarten. Das betrifft nicht einmal nur so sehr die Mischung von Ton und Bild (Audio und Video), sondern auch die gleichzeitige Nutzung von Text und Bild wirkt bereits. Richard Mayer nennt das eine annotierte Illustration, die auf sieben mit "C" beginnenden Design-Prinzipien aufbauen
- concise (kurz gefasst): Die Grafik besitzt nur wenige einfache Illustrationen und wenige Text.
- coherent (folgerichtig): Die annotierte Illustration hat eine klare Struktur, am Besten eine Ursache-Wirkung-Sequenz.
- coordinated (koordiniert): Text wird zusammen mit der passenden Illustration präsentiert.
- concentrated (konzentriert): Die Schritte sind im Text als auch in der Illustration deutlich hervorgehoben
- correspondent (übereinstimmend): Übereinstimmender Text und Illustration werden nahe bei einander dargestellt.
- concrete (konkret): Die Illustrationen sind gegenständlich und leicht deutbar.
- comprehensible (verständlich): Sowohl Texte als auch die Grafiken sind leicht verständlich und bauen auf Alltagssprache bzw. Alltagsvorstellungen auf.
- codable (kodierbar): Die Schlüsselwörter werden leicht erinnert, weil sie in einer gleichlautenden und systematischen Weise verwendet werden.
Übrigens: Weitere Beispiele für Grafiken finden sich auf der Webseite von Fiona McPherson. Es gibt eine recht umfangreiche PDF-Datei wo alle Grafiken aus ihrem Buch zusammengestellt sind.
Concept Maps (Begriffsnetze)
Concepts Maps stellen eine weitere wichtige Form grafischer Zusammenfassungen dar. Zum Unterschied von den bisherigen Diagramm-Arten fassen sie jedoch nicht nur zusammen, sondern das Netzwerk charakterisiert durch seine Relationen die grundlegenden Ideen und Begriffe. Concept Maps gehen damit über grafische Zusammenfassungen hinaus, weil sie systematisch ein Beziehungsnetz darstellen, das so meist nicht direkt im Text beschrieben wird.
Concept Maps verknüpfen in Kreisen oder rechteckigen Boxen geschriebene Begriffe mit Linien und charakterisieren die Art der Verbindung. Sie werden im Allgemeinen so strukturiert, dass sie von oben nach unten gelesen werden können. Das oben dargestellte Baumdiagramm kennzeichnet zwar ebenso die Verbindungen mit Ja/Nein, ist aber keine Concept Maps, weil die Boxen keine Begriffe, sondern ganze Sätze enthalten.
Manchmal sind Begriffsnetze so komplex, dass sie nicht mehr als grafische Zusammenfassungen wirken, sondern eher zum inhaltlichen Studium der mannigfachen Verbindungen anregen. Das wird z.B. besonders bei der folgenden Abbildung recht deutlich.
Deshalb präsentiert sie Fiona McPherson nicht unter dem Buchabschnitt "Auswahlstrategien" sondern unter "Verbindungsstrategien". Im Sinne der Vollständigkeit habe mich aber entschlossen, Concept Maps hier bei den grafischen Zusammenfassungen kurz zu streifen. Ich werde ausführlich noch auf Begriffsnetze und deren Erstellung zu sprechen kommen.
Mind Maps
Mind Maps sind eine besondere Form von Concept Maps und gehören daher ebenfalls in den Abschnitt "Verbindungsstrategien". Zum Unterschied von Concept Maps stellen sie den wichtigsten Begriff ins Zentrum, von dem dann radiale Äste mit Themenbeschreibungen abgehen. Je nach dem Detailierungsgrad gehen davon dann weitere Äste ab. In der ursprünglichen Form haben diese verschiedenen Äste – zum Unterschied von Concept Maps – keine Querverbindungen. Ein wichtiges Kennzeichen von Mind Maps (im Unterschied zu Concept Maps) ist die Nutzung von Farben und Icons oder andere Illustrationen.
Mind Maps sind als Werkzeug für Zusammenfassungen weniger geeignet. Sie helfen jedoch verschiedene Ideen in einer visuellen Form darzustellen und sind besonders zum Generieren von Ideen oder für schnelle Wiederholungen des Inhalts eines Textes gut geeignet. Sie sind jedoch nicht als generelle Strategie zum Anfertigen von Notizen geeignet – auch wenn das häufig geglaubt wird und Mind Maps auch oft als Werkzeug zur Notizerstellung genutzt werden. Mind Mapping ist besonders gut für Brainstorming, (grafisches) Gliedern (Outlining) oder die hauptsächlichen Ideen grafisch aufzulisten.
Mind Maps können das Erstellen textlicher Notizen nicht ersetzen. Ihre Stärken liegen im Brainstorming und dem grafischen Gliedern der Hauptideen, nicht aber in der inhaltlichen Zusammenfassung.
Infografiken
In den letzten 15 Jahren haben sich zunehmend Infografiken etabliert. Sie stellen den Schwerpunkt der Kommunikation von textlicher zu visueller Information um. Es werden zwar auch Texte genutzt, aber äußerst sparsam. Im Mittelpunkt steht die visuelle Darstellung von Informationen, Daten oder Wissen, mit der sich Informationen schnell und klar präsentieren lassen.
Infografiken sind wegen ihres großen Aufwands selten als grafische Zusammenfassungen gedacht. Sie stellen vielmehr ein leistungsstarkes Werkzeug dar, mit dem Informationen (Daten, Konzepte, Erkenntnisse, Beziehungen, Trends) selbständig vermittelt werden.
Zusammenfassung
In diesem Beitrag habe ich Vor- und Nachteile grafischer Zusammenfassungen dargestellt. Ihre Erstellung braucht mehr Zeit und auch mehr Expertise als textliche Zusammenfassungen. Leider mangelt es in vielen Ausbildungsgängen an einem geeigneten Training für diese wichtige Form der Aufarbeitung von Texten. Grafische Zusammenfassungen re-organisieren Texte und benötigen daher auch mehr kognitiven Aufwand. Sie sind aber wegen längerer Erinnerungszeit und geringerer kognitiver Last bei langen und komplexen Texten den üblichen schriftlichen Zusammenfassungen überlegen. Durch die höhere Anstrengung ihrer Erstellung die mit der Re-Organisation des Textes einhergeht, erzeugen sie häufig auch ein tieferes Verständnis als es thematische Zusammenfassungen tun.