E-Portfolios an Hochschulen

Im neuen Campus Innovation Newsletter vom 5.11.2008 ist ein Interview von mir erschienen. Darin spreche ich über die Zukunft des Medida-Prix, der 2008 eine inhaltliche Neuausrichtung erfahren hat, durch die nun freie Bildungsressourcen stärker berücksichtigt werden. Weiters gebe ich eine kurze Zusammenfassung meines Vortrags über ePortfolios an Hochschulen im Kontext des europäischen Bildungsraums, den ich morgen, dem 20. November von 14:30-15:00 im Rahmen der Campus Innovation 2008 in Hamburg halten werde.

Im neuen Campus Innovation Newsletter vom 5.11.2008 ist ein Interview von mir erschienen. Darin spreche ich über die Zukunft des Medida-Prix, der 2008 eine inhaltliche Neuausrichtung erfahren hat, durch die nun freie Bildungsressourcen stärker berücksichtigt werden. Weiters gebe ich eine kurze Zusammenfassung meines Vortrags über ePortfolios an Hochschulen im Kontext des europäischen Bildungsraums, den ich morgen, dem 20. November von 14:30-15:00 im Rahmen der Campus Innovation 2008 in Hamburg halten werde.

Interview mit Prof. Dr. Peter Baumgartner über die Zukunft
des Medida-Prix und seinen Vortrag über ePortfolios an Hochschulen

Peter Baumgartner ist Professor für Technologieunterstütztes Lernen und
Multimedia sowie Leiter des Departments für
Interaktive Medien und Bildungstechnologien
an der Donau-Universität Krems.
Am 20. November spricht er im Track eLearning über „ePortfolios an Hochschulen
im Kontext des europäischen Bildungsraums“. Vorab haben wir ihm einige Fragen
über seine Aktivitäten gestellt.

Herr Baumgartner, als wissenschaftlicher Leiter haben Sie 2008 wieder den
Medida-Prix an mediendidaktische Projekte verliehen. Wie sehen Sie die Zukunft
des Medida-Prix?

Baumgartner: Ja, in diesem Jahr haben wir den Preis wieder
an drei herausragende eLearning Projekte vergeben: MatheVital, GITTA und
eTeaching.org. Mit der Prämierung dieser Projekte haben GutachterInnen und Jury
nicht nur diejenigen Projekte ausgezeichnet, die auf einer mediendidaktischen
Ebene beispielhaft sind und überzeugen konnten, sondern es stand auch im
Vordergrund, dass es sich um Projekte handelt, die einen freien Zugang zu ihren
Inhalten bzw. Ressourcen ermöglichen.

Der Medida-Prix hat sich seit seinem mittlerweile neunjährigen Bestehen zu
einer festen Größe in der E-Learning Szene etabliert. Die inhaltliche
Neuausrichtung des Jahres 2008 – die ich gemeinsam mit meiner Kollegin Dr.
Sabine Zauchner erarbeitet habe – hat freie Bildungsressourcen stärker
berücksichtigt. Das ist sicherlich ein wesentlicher Schritt, damit der
Medida-Prix seine Funktion als Change-Agent nicht verliert. Es geht dabei darum
aufzuzeigen, welches Potential in der gemeinsamen Entwicklung oder
Wiederverwendung von Lehr-Lernressourcen sowohl auf einer didaktischen als auch
auf einer strategischen und ökonomischen Ebene für Hochschulen liegen kann. Ich
denke, dass es hier noch massiven Aufholbedarf im deutschsprachigen Raum gibt
und dass der Medida-Prix ganz klar seine Berechtigung darin hat, sozusagen mit
„wehenden Fahnen“ voranzuschreiten.

Es freut mich ganz besonders hier auch bekannt geben zu können, dass soeben
die Förderungszusage für das Jahr 2009 vom deutschen Ministerium für Bildung und
Forschung eingelangt ist. Wie immer wird es eine enge Zusammenarbeit mit der
GMW-Tagung – und hier insbesondere mit Prof. Nicolas Apostolopoulos, dem
wissenschaftlicher Leiter der GMW Konferenz 2009, die diesmal an der FU Berlin
stattfinden wird – geben. Es wird auch einige kleinere Änderungen im
organisatorischen Design geben, womit wir auf Feedback aus der letzten
Preisverleihung reagieren wollen. Auch sind wir gerade dabei eine eigene
wissenschaftliche Position für die inhaltliche Betreuung des Medida-Prix
auszuschreiben, weil die ausgezeichnete hausinterne Arbeit von Frau Caruso und
Frau Kirchmayer, die seitens meines Department für den Medida-Prix tätig waren,
in Berlin wegen des Wegfalls synergetischer Wirkungen infolge der Verlustes des
„Heimvorteils“ (Büro und Veranstaltung nicht mehr am Veranstaltungsort) so nicht
mehr umgesetzt werden kann.

Wenn Sie mit Ihrer Frage die weitere Zukunft auch ansprechen – aktuell ist
leider die Finanzierung des Preises für das Jahr 2010 noch immer ungeklärt. Das
macht mir bezüglich der Zukunft des Medida-Prix große Sorgen: Wenn wir bis zum
Mai 2009 keine gesicherte Finanzierung aufgestellt haben, dann ist das bisherige
Rotationsmodell (AT-DE-CH-DE) – und damit die Fortführung des Medida-Prix
insgesamt – gefährdet. Zusammen mit dem GMW-Vorstand – und hier insbesondere mit
der neuen Vorsitzenden Dr. Eva Seiler – arbeiten wir derzeit daran, dass wir mit
neuen Finanzierungsmodellen den Medida-Prix 2010 in Bern ausrichten können.

Auf der Campus Innovation berichten Sie über "ePortfolios an Hochschulen
im Kontext des europäischen Bildungsraums". In Ihrem Abstract erwähnen sie, dass
Sie zunächst eine Taxonomie entwickelt haben, um einen qualitativen Vergleich
von ePortfolio Software durchzuführen. Können Sie diese hier
skizzieren?

Baumgartner: E-Portfolio Software ist ein vergleichsweise
junger Software Typus, zu dem es noch recht wenig Erfahrungen gibt und auch
wenig Produkte, die dezidiert als E-Portfolio-Software angeboten werden. Dafür
gibt es zahlreiche Verschränkungen zu anderen Arten von Software:
Lernplattformen, Content Management Systemen, HR Management Software oder
diversen Web2.0-Services. Je nachdem, welche Perspektive eingenommen wird und
welche Kriterien zugrunde gelegt werden, könnte demnach eine Marktübersicht
zwischen zehn oder tausenden prinzipiell geeigneten Produkten schwanken. Durch
das Erarbeiten der Taxonomie näherten wir uns der Frage an: Wann ist eine
Software eine E-Portfolio-Software? Was sind die unverzichtbaren Bestandteile,
um Portfolioprozesse – insbesondere im Hochschulkontext – gut zu unterstützen?

Darüber hinaus diente uns die Ausarbeitung einer Taxonomie auch als Grundlage
für den Kriterienkatalog, der zur Beurteilung aktueller am Markt befindlicher
Software-Produkte herangezogen wurde. Die Kriterien sollten ja nicht
softwaregeleitet entwickelt werden, sondern aus pädagogischer Perspektive. Dazu
lieferte uns die Taxonomie einerseits Metakategorien, in die wir die einzelnen
Kriterien einordneten, andererseits half sie den Experten und Expertinnen bei
der Gewichtung der einzelnen Kriterien: welche sind essentiell, welche wichtig,
welche unwichtig?

Wir sind wieder nach dem bewährten Verfahren der qualitativen Gewichtung und
Summierung (QGS) vorgegangen, die ich in „Auswahl von Lernplattformen“ (2002)
und „Content Management Systeme in e-Education“ (2004) veröffentlicht habe und
nach der auch der Medida-Prix funktioniert.

Was genau ist eine Taxonomie von ePortfolios? Wozu braucht man so
etwas?

Baumgartner: Unter einer Taxonomie wird ein systematisches
Klassifikationsschema zur Ordnung von Dingen, Erscheinungen, Prozessen etc. nach
einheitlichen sachlogischen Prinzipien, Verfahren und Regeln verstanden.
Aufgrund der umfassenden Bedeutung des Begriffs "E-Portfolio" ist die
Entwicklung der Taxonomie ein langwieriger und iterativer Prozess. Theoretische
Vorarbeiten wurden von Frau Silke Kleindienst und mir bereits vor einem Jahr in
Angriff genommen. Die Taxonomie besteht im wesentlichen aus zwei Teilen: zum
einen aus einem Deskriptoren-Parameter-System, d.h. aus Merkmalen und
Merkmalsausprägungen, die verschiedene Portfoliovarianten eindeutig beschreiben,
zum anderen aus verschiedenen Portfoliotypen, die durch Anwendung des
Beschreibungssystems auf reale Beispiele gewonnen werden.

Wie sieht das nun konkret aus?

Baumgartner: Ein Deskriptor ist zum Beispiel „activities“,
also Tätigkeiten der Lernenden – als zugehörige Merkmalsausprägungen wurden
„collecting“, „selecting“, „reflecting“, „evaluating“, „planning“ und
„presenting“ identifiziert. Für die Software-Evaluation war hier wichtig, dass
diese Aktivitäten der Lernenden von der Software unterstützt werden müssen und
entsprechende Kriterien zu deren Beurteilung dafür vorgesehen werden mussten.
Ein weiteres wichtiges Merkmal heißt „access“, d.h. wer hat lesenden Zugriff auf
das Portfolio? Hier unterscheiden wir die Parameter „self“ (ist natürlich immer
gegeben), „peers“, „authority“ und „public“. Im Lehr-/Lernkontext bedeutet dies,
dass mein Portfolio zunächst nur für mich selbst sichtbar ist, aber stufenweise
meinen Mitlernenden (peers), den Lehrenden (authority) und über das Internet
einer breiten Öffentlichkeit (public) der lesende Zugriff erlaubt wird – eine
ausgereifte E-Portfolio-Software muss diese Zugriffsregelungen in einfach zu
bedienender Weise ermöglichen.

Aus dem Beschreibungssystem wurden fünf wesentliche Portfoliotypen
abgeleitet: working portfolio, reflection portfolio, assessment portfolio,
development portfolio und presentation portfolio. Wir sind der Meinung, dass die
etwa 20 sonst noch in der Literatur verwendeten Begriffe für Portfoliotypen
(Lernportfolio, Kompetenzportfolio, Prozessportfolio, Bewerbungsportfolio etc.)
überflüssig sind, d.h. keine wesentliche neue Information beinhalten bzw. einem
oder mehreren der fünf Haupttypen zugeordnet werden können.

Wie geht es mit Ihrer Arbeit zu ePortfolios weiter?

Baumgartner: Das Referat auf der Campus Innovation in
Hamburg ist die erste öffentliche Präsentation unserer Zwischenergebnisse zur
Taxonomie. Zusammen mit meinem Mitarbeiter Klaus Himpsl, der die
E-Portfolio-Software-Evaluationen durchgeführt und mittlerweile auch etliche
E-Portfolio-Implementierungen begleitet hat, werde ich die Taxonomie in den
nächsten Monaten noch einmal überarbeiten: Wie gesagt es ist ein iterativer
Prozess, der durch einen ständigen Wechsel von Theorie (d.h. welche Funktionen
sind aus pädagogisch-didaktischen Überlegungen zu postulieren) zur Praxis (d.h.
welche Funktionen haben die am Markt befindlichen Systeme tatsächlich bereits
implementiert) und wieder zurück, gekennzeichnet ist.

Ein interner Bericht an das österreichische Bundesministerium für
Wissenschaft und Forschung (bm:w_f) ist Ende Jänner fällig. Im April/Mai wird
ein international besetzter Workshop die Ergebnisse der Öffentlichkeit
vorstellen, eine Buchpublikation ist für Herbst 2009 geplant.

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